Ein eigenes Auto zu besitzen hat heute nicht mehr den gleichen, hohen Stellenwert wie im 20. Jahrhundert. In den letzten Jahren hat sich vor allem in Großstädten Carsharing durchgesetzt. Wird das eigene Auto bald die Ausnahme sein?
Bei Musik und Filmen ersetzen Abo-Modelle zunehmend den Kauf von Dateien und Tonträgern. In der digitalen Welt ist der Verzicht auf Eigentum bzw. alleinigen Besitz einfacher umzusetzen als in der analogen. Insbesondere beim Carsharing ist jedoch zu beobachten, dass geteilte Nutzung auch mit physischen Produkten gut funktionieren kann.
Im Vorfeld der diesjährigen hub conference (10. Dezember 2015) hat der BITKOM eine repräsentative Befragung unter Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern von Unternehmen der Automobilbranche (ab 20 Mitarbeitern) durchführen lassen. Gefragt wurde nach der möglichen Bedeutung von Carsharing im Jahr 2025.
Eigenes Auto kommt aus der Mode
47 Prozent und damit fast jeder zweite Befragte glaubt, dass in Ballungsräumen die Mehrheit der Autofahrer in zehn Jahren kein eigenes Fahrzeug mehr besitzt, sondern auf Carsharing setzt. 56 Prozent erwarten, dass Carsharing in Großstädten dann ein zentraler Bestandteil der Mobiliät ist. Immerhin 12 Prozent rechnet damit, dass die Mehrheit der Autofahrer in Deutschland – nicht nur in Ballungsräumen – auf den Privatwagen verzichtet.
„Angebote wie DriveNow, Flinkster oder Car2Go ermöglichen es, sich auch ohne eigenes Auto individuell und komfortabel fortzubewegen. Das schätzen schon heute hunderttausende Privatnutzer sowie Unternehmen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Der Trend zum Carsharing wird sich fortsetzen. Durch die zunehmende Zahl von Anbietern und Fahrzeugen wird Carsharing noch attraktiver.“
Die Automobilexperten sehen Chancen, vom Wandel zu profitieren: Satte 91 Prozent erwarten, dass durch Carsharing im Jahr 2015 ganz neue Geschäftsmodelle möglich werden. Beispiele dafür sind IT-gestützte Einkaufstipps entlang der Fahrstrecke, Hilfen bei der Parkplatzsuche und die nahtlose Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel bei Reisen. 29 Prozent der Befragten glauben, junge Zielgruppe bloß noch über Carsharing-Angebote erfolgreich ansprechen zu können. 14 Prozent glauben, dass für die Autohersteller Carsharing bereits in zehn Jahren das dominierende Vertriebsmodell ist.
Ich habe Zweifel
Gegenüber dem Kauf eines Autos hat Carsharing einige Vorteile. Dennoch bin ich skeptisch, ob es zum allgemeinen Standard im Individualverkehr werden wird. Angesichts der großen Fortschritte, die autonomes Fahren in den vergangenen zehn Jahren gemacht hat, gehe ich davon aus, dass selbstfahrende Autos in zehn Jahren zumindest bereits erhältlich sein werden. Wer weiß, welche Mobilitätskonzepte rund um autonomes Fahren sich einmal durchsetzen können? Ich gehe zumindest fest davon aus, dass selbstfahrende Autos nur in seltenen Fällen gekauft werden.
So betrachtet ließe sich das unter Carsharing einordnen – aber ebenfalls unter Taxidienstleitungen. Der Aspekt der Ressourcenschonung kommt bei automen Fahrzeugen noch stärker als beim heutigen Carsharing zum Tragen. Zudem dürften ernsthafte Personen- und Sachschäden im Straßenverkehr damit zur absoluten Ausnahme werden. Ich bin überzeugt davon, dass es künftigen Generationen absurd erscheinen wird, Menschen ans Steuer zu lassen.
Neue Zielgruppen erreichen
Für die Hersteller bieten autonome Fahrzeuge – im Gegensatz zum heutigen Carsharing – die Chance, ganz neue Zielgruppen zu bedienen, nicht zuletzt Personen, die gar keinen Führerschein besitzen. Selbstfahrende Autos stellen insofern auch eine Konkurrenz für den öffentlichen Nahverkehr, wie wir ihn heute kennen, dar. Das Potenzial ist gewaltig!
Andererseits ist nicht sicher, wie hoch der Mobilitätsbedarf künftig ist. Allein das mögliche Verschwinden des Offline-Handels hätte enorme Auswirkungen. Wird künftig alles online eingekauft, entfallen unzählige Fahren mit privaten oder gemieteten Fahrzeugen – ob diese nun noch Steuer und Pedale haben oder nicht.
Viele Arbeiten lassen sich heute bereits ortsunabhängig durchführen. Wer von zu Hause aus arbeitet oder aus einem zu Fuß erreichbaren Co-Working-Space, hat weniger Mobilitätsbedarf als jemand, der fünfmal pro Woche zu einem weit entfernten Arbeitsplatz unterwegs ist.
Was denkt Ihr, gehört Carsharing tatsächlich die Zukunft oder wird es von der Entwicklung beim autonomen Fahren eingeholt?