Wenn vom Erfassen von Körperdaten mittels Smartphone die Rede ist, geht es bislang meistens um Fitness und Selbstoptimierung. Die viel spannendere Entwicklung findet im Bereich Gesundheit bzw. Krankheit statt.
Smartphones und damit verbundene Geräte wie Blutdruck- und Pulsmnessgeräte oder beispielsweise Thermometer können sowohl für die Behandlung von Patienten und zu Präventionszwecken als auch für die medizinische Forschung wertvolle Daten liefern. Wenn es Daten gibt, die das Adjetiv sensibel verdienen, dann sind es diese oft unter dem Stichwort Gesundheitsdaten eingeordneten sehr persönlichen Informationen.
Wie eine neue vom BITKOM beauftrage repräsentative Umfrage zeigt, können sich viele Menschen in Deutschland vorstellen, solche Daten zu erheben und diese Dritten wie etwa Krankenkassen zu überlassen. Erstaunliche 37 Prozent der befragten Smartphone-User können sich das vorstellen, bei den Usern ab 65 Jahren ist es mit 47 Prozent fast jeder zweite.
Senioren besonders aufgeschlossen
„Die Daten können helfen, Patienten individuell zu informieren und zu beraten und sie medizinisch besser zu versorgen. Das sehen gerade ältere Menschen als Chance“, erläutert Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des BITKOM. „Selbstverständlich gibt es in einem so hochsensiblen Bereich auch viele Vorbehalte. Wie bei anderen telemedizinischen Anwendungen müssen Datensicherheit und Datenschutz bei Gesundheits-Apps an oberster Stelle stehen.“
Sechs von zehn Befragten können sich nicht vorstellen, solche Gesundheitsinformationen an ihre Krankenversicherung weiterzuleiten. Ich hätte mit größerer Ablehnung gerechnet. Ohne direkte Gegenleistung sind viele zur Datenweiterleitung indes nicht bereit. So wünschen sich 19 Prozent der Teilnehmer im Gegenzug Rabatte bei den Versicherungstarifen, 10 Prozent Prämien in Form von Gutscheinen oder Geld. 7 Prozent würden ihre Daten ohne bestimmte Gegenleistung weitergeben, bei den Usern ab 65 Jahren ist es jeder dritte (33 Prozent).
Nicht nur an direkte Vorteile denken
Ich sage „direkte“ Gegenleistung, weil die Datenüberlassung schließlich vielfältige positive Folgen haben kann. Wer Herzprobleme, Diabetes, erhöhten Blutdruck oder eine andere Krankheit hat, bei der bestimmte Körperwerte regelmäßig überprüft werden müssen, profitiert zwar nicht von einer Weiterleitung der Daten an seine Krankenversicherung, aber von einer Weiterleitung an seine Ärzte. In der medizinischen Forschung, aber auch bei der individuellen ärztlichen Behandlung können die erfassten Daten für neue Erkenntnisse oder zumindest für ein besseres Verständnis der jeweiligen Erkrankung sorgen.
Zudem kann die Auswertung dabei helfen, die Kosten im Gesundheitssystem zu senken, was zwar zunächst eher im Interesse der Versicherungen, aber letztlich auch im Interesse aller Versicherten ist. Wenn die zusätzlichen Daten etwa dazu beitragen, die unter mehreren Therapiemöglichkeiten im jeweiligen Fall erfolgversprechendste zu identifizieren, haben alle etwas davon. Entsprechendes gilt für die Früherkennung von Krankheiten.
Andererseits ist das Missbrauchspotenzial dermaßen groß, dass es gute Gründe dafür gibt, Gesundheitsdaten allenfalls einem Arzt zu zeigen. Ob die eigene Krankenversicherung diese Daten möglicherweise so verwenden wird, dass man dadurch Nachteile erleidet, sollte gut überlegt werden. Wird man für unter Gesundheitsaspekten vorbildliches Verhalten durch eine Beitragssenkung belohnt, opfert man möglicherweise ein Stück weit seine Freiheit. Und wer weiß, ob „Fehlverhalten“ nicht in Zukunft unmittelbar bestraft wird? Dafür ließen sich immerhin auch einige gute Argumente anführen.
Risiken und Nebenwirkungen
Gravierender ist jedoch, dass man nicht sicher sein kann, dass die eigenen Daten nicht in die Hände Krimineller fallen oder sonstwie gegen einen verwendet werden. Von der harmlosen Verwendung zu Marketingzwecken bis hin zur Erpressung gibt es so viele Möglichkeiten! Inzwischen sollte allgemein bekannt sein, dass der einzige wirklich wirksame Datenschutz im Verzicht auf die Erhebung von Daten besteht.
Bevor man mittels Smartphone und anderen Geräten Körperdaten erfasst, sollte man sich deshalb fragen, wie gut man damit leben könnte, wenn diese nächstes Jahr für alle zugänglich im Internet zu finden wären. Für manche anderen Datenarten sollte man diese Frage ebenfalls stellen. Ein Problem bleibt: Selbst die klügsten IT-Vordenker können nicht beurteilen, welche langfristigen Risiken (20, 30 oder 40 Jahre in der Zukunft …) sich daraus ergeben. Aber wollen wir deshalb den Fortschritt aufhalten?