Wer darf was sehen? Für die jungen User von Social-Media-Angeboten ist der Schutz ihrer Privatsphäre ein Thema. Einstellungsmöglichkeiten zum selektiven Verbergen von Informationen wie bei Facebook werden mehrheitlich genutzt, belegt eine aktuelle Umfrage. Aber ist das der richtige Weg?
Für die Studie „Kinder und Jugend 3.0“ hatte der BITKOM durch Bitkom Research und das Marktforschungsinstitut Forsa eine repräsentative Befragung von Kindern und Jugendlichen durchführen lassen. Auf den ersten Blick sieht es danach aus, als ob die jungen User von Social Media alles andere als jugendlichen Leichtsinn walten ließen. „Jugendliche Nutzer sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram gehen mehrheitlich verantwortungsvoll und kompetent mit dem Thema Datenschutz um“, beginnt die Presseinfo des Verbands sogar.
Einstellungen werden angepasst
Was für eine gefährliche Illusion! Aber schauen wir uns erst mal ein paar der Ergebnisse an: 60 Prozent der User von Social Networks zwischen 10 und 18 Jahren haben bei den von ihnen genutzten Plattformen die Voreinstellungen zur Privatsphäre verändert. Dieser Wert steigt mit dem Alter der Nutzer: Nur 28 Prozent der 10- bis 12-jährigen User haben die Einstellungen angepasst, bei den 13- bis 15-jährigen sind es 60 Prozent und bei den 16- bis 18-jährigem sogar 79 Prozent.
„Jugendliche kennen sich sehr gut mit sozialen Netzwerken aus und nutzen ihre Kenntnisse, um den Datenschutz ihren persönlichen Bedürfnissen anzupassen“, sagt Susanne Dehmel, BITKOM-Geschäftsleiterin für Sicherheit und Datenschutz. Mit Blick auf Optionen zum Festlegen, wer jeweils bestimmte Informationen sehen darf, mahnt Dehmel: „Jugendliche sollten sich aber klar darüber sein, dass sie sich in sozialen Netzwerken in einem öffentlichen Raum befinden und entsprechend bewusst mit persönlichen Informationen umgehen.“
84 Prozent der 10- bis 18-jährigen Nutzer von Social Media legen fest, wer ihr persönliches Profil sehen kann. Für bestimmte Postings stellen dies 78 Prozent ein. 60 Prozent der User passen an, wer auf ihrer Seite etwas veröffentlichen darf. Immerhin 56 Prozent passen die Einstellungen an, wer mit ihnen Kontakt aufnehmen kann, 54 Prozent stellen ein, für welche User sie auffindbar sein wollen. Ich frage mich, wie aussagekräftig diese Werte sind, denn schließlich bieten nicht alle Social Networks diese Arten von Einstellungen. Das erinnert doch sehr stark an Facebook.
Was ist mit der Pflicht zu Klarnamen?
Okay, Facebook ist der Marktführer, aber wie passen dann die Angaben zum Umgang mit Klarnamen bzw. Pseudonymen dazu? Laut Umfrage verwenden 62 Prozent einen Nickname anstelle ihres richtigen Namens. 55 Prozent verwenden ihren vollen Vor- und Zunamen. Bei Facebook gilt allerdings nach wie vor die Klarnamenpflicht. Klar, viele User sind bei mehr als einer Social-Media-Plattform angemeldet – dennoch! Ihr Geburtsdatum geben 53 Prozent an – allerdings nur jeder vierte zwischen 10 und 12 Jahren, aber 67 Prozent zwischen 16 und 18 Jahren.
Mit 52 Prozent eine knappe Mehrheit veröffentlicht ein Portraitfoto von sich. Jungen (46 Prozent) sind hier etwas zurückhaltender als Mädchen (58 Prozent). Von den 10- bis 12-jährigen Usern veröffentlichen bloß 27 Prozent ein Portraitfoto, bei den 16- bis 18-jährigen sind es 69 Prozent.
Bestimmte Informationen über die eigene Person gar nicht zu veröffentlichen, ist eine wirksame Schutzmöglichkeit. Es bleibt natürlich das Restrisiko, dass andere bestimmte Informationen publik machen und das nicht unbedingt in böser Absicht. Beispiel: Wenn mehrere Jugendliche, die erkennbar dieselbe Schulklasse besuchen, einem Schulfreund öffentlich zu dessen Geburtstag gratulieren, kennen Dritte nicht nur den Geburtstag, sondern auch das ungefähre Geburtsjahr. Aber vielleicht wird ja noch irgendwo das Foto einer Geburtstagstorte gepostet, mit dessen Hilfe sich anhand der Zahl der Kerzen das genaue Alter bestimmen lässt.
Gefahr durch Privatsphäre-Einstellungen
Soweit es Privatsphäre-Einstellungen angeht, plädiere ich dafür, sie lieber nicht zu nutzen, sondern alle Informationen komplett öffentlich zugänglich zu machen. Wenn einem bewusst ist, dass jeder sehen kann, was man auf einer Social-Media-Plattform veröffentlicht, hält einen das davon ab, bestimmte Dinge überhaupt „ins Netz zu stellen“. Wer weiß, durch welchen Bug, Hack oder Leak diese öffentlich werden? Deshalb ist die Verwendung des Klarnamens grundsätzlich ein besserer Schutz als die Verwendung von Nicknames. Was Eltern, Lehrer oder bestimmte Mitschüler nicht sehen sollten – das sollten Kinder und Jugendliche überhaupt nicht veröffentlichen. Das Bewusstsein, beobachtet zu werden, kann einem bei der Selbstzensur helfen. Die Klarnamenpflicht ist bei Facebook daher der allerbeste Schutz für die Privatsphäre.
Privatsphäre-Einstellungen verleiten hingegen dazu, genau diese Art von Informationen zu posten. Abgesehen davon lassen sich aus so vielen anderen veröffentlichten Informationen Rückschlüsse auf die Identität eines Users ziehen, dass sich nur durch weitere Schutzmaßnahmen wirkungsvoll die Identität verbergen lässt. Klar, unliebsame Mitschüler oder neugierige Eltern verfügen nicht über die Mittel und das Know-how von Geheimdiensten. Allerdings bedarf es oft nicht viel Wissens oder Aufwands, um die nötigen Schlüsse zu ziehen. Metadaten in Fotos, typische Formulierungen, öffentlich sichtbare Verbindungen zu anderen Usern usw. bieten Möglichkeiten zum Aufdecken der wahren Identität. Und das ist leider den wenigsten Usern bewusst.
Wie steht Ihr zu Privatsphäre-Einstellungen und Pseudonymen bei Social Media?