In der ersten Jahreshälfte legte der Interaktive Handel (Online- und Versandhandel) in Deutschland deutlich zu. In einer aktuellen Befragung gaben mehr als 37 Prozent der Teilnehmer an, bei bestimmten Produkten bzw. Produktgruppen den Kauf im Interaktiven Handel dem Kauf im stationären Handel vorzuziehen.
Die Konkurrenz für Ladengeschäfte wird immer härter, denn immer mehr Verbraucher in Deutschland bestellen lieber im Internet oder im traditionellen Versandhandel. Inzwischen vertrauen viele Konsumenten auch bei der Anschaffung großer und teurer Artikel dem Interaktiven Handel. Im Sommer hatten der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) und die Creditreform Boniversum GmbH (Boniversum) zum dritten Mal gemeinsam Verbraucher zwischen 18 und 69 Jahren zum Themenbereich „Einkaufspräferenzen im Online- und Versandhandel sowie im klassischen Einzelhandel“ befragt.
Lieber bestellen als hinfahren
Ein wichtige Erkenntnis dabei lautet: Die Zahl derjenigen, die bestimmte Produkte oder Produktgruppen am liebsten online oder auf dem klassischen Versandweg kaufen, liegt jetzt bei 37,3 Prozent und somit 2,2 Prozentpunkte höher als 2012. Deutlich zeigt sich dieses Jahr, welche Bedeutung der Interaktive Handel für Waren aus den Bereichen Unterhaltungselektronik, Medien, Bild- und Tonträgern, aber auch Telekommunikation, Handy und Computer erlangt hat. Der „Kaufanteil“ im Interaktiven Handel liegt nach dem jüngsten Plus in Höhe von 1,5 Prozentpunkten bei beachtlichen 61 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen den Hohen Stellenwert von Online- und klassischem Versandhandel für den Verkauf von Technik-Produkten.
Die Umsätze für Möbel, Dekorationsartikel und den Bereich Do-it-Yourself (DIY) stammen dieses Jahr zwar größtenteils weiterhin aus dem stationären Einzelhandel, aber der Trend geht in die andere Richtung: „Mittlerweile sind es knapp 18 Prozent der Verbraucher (+2,8 Prozentpunkte gegenüber 2012), die auch diese großen und preisintensiveren Artikel gern im Interaktiven Handel kaufen“, heißt es in der Pressemitteilung über die aus Sicht des bvh positive Entwicklung.
Der Trend ist klar
„Die Entwicklung in den Warengruppen Möbel, Dekorationsartikel und DIY zeigen, dass auch größere und preisintensivere Produkte immer mehr online gekauft werden. Im Vergleich zu 2011 können wir hier sogar eine Steigerung von 4,1 Prozentpunkten verzeichnen. Eine bedeutende Rolle an dieser Entwicklung haben sicherlich auch die angebotenen Zahlarten der Shops. Bei diesen Produktgruppen wollen sich die Verbraucher die Ware erst anschauen, prüfen und dann bezahlen. Um den Kunden den Kauf auf Rechnung ohne Risiko anbieten zu können, empfehlen wir immer vorab die Bonität des Kunden zu prüfen“, sagt Siebo Woydt, Geschäftsführer von Boniversum.
Einen signifikanten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Konsumenten gab bezüglich der Beliebtheit des Interaktiven Handels in dieser Untersuchung nicht: 37,8 Prozent der Männer und 36,8 Prozent der Frauen bevorzugen bei bestimmten Arten von Produkten die Bestellung im Interaktiven Handel. Allerdings kaufen Männer darüber mehr Unterhaltungselektronik und andere technische Produkte, während Frauen bei Textilien, Spielwaren, Medikamenten, Möbeln und Dekorationsartikeln vorne liegen.
Ältere Verbraucher holen auf
Luft nach oben hat der Interaktive Handel noch bei älteren Verbrauchern, denn anders als bei jungen Menschen konnte er sich bei ihnen in den letzten Jahren längst noch nicht so sehr etablieren. Inzwischen ist indes ein Wandel zu erkennen, bei älteren Verbrauchern sind die Zuwächse inzwischen besonders hoch. „Gerade das bemerkenswerte Wachstum in der Nutzergruppe mit höherem Alter ist sehr erfreulich und zeigt, dass der Interaktive Handel und speziell das E-Commerce-Geschäft sich bei der älteren Generation immer besser etabliert und Verbraucher generationenübergreifend diese bequeme und sichere Art des Einkaufes schätzen. Diese Entwicklung zeigt auch auf, dass die technischen Hürden und Berührungsängste zu einem großen Teil überwunden sind“, so Christoph Wenk-Fischer, bvh-Hauptgeschäftsführer.
Was glaubt Ihr, wie stark Online- und klassischer Versandhandel in den kommenden Jahren zulegen werden? Mit großen Sprüngen rechne ich zwar nicht, vielleicht verlangsamt sich die Entwicklung in den nächsten Jahren sogar. Aber auf lange Sicht wird der stationäre Handel bestimmt noch große Marktanteile verlieren.
Warum nach draußen gehen?
Es lohnt sich immer weniger, zum Einkaufen die Wohnung zu verlassen. Die meisten Waren, die sich heute im Internet kaufen lassen, konnte man zwar schon vor zehn Jahren online kaufen. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen jedoch extrem verbessert: schnellere Internetanschlüsse, höhere Auflösung bei Produktfotos, attraktivere Produktpräsentation, bessere Bezahloptionen… Nicht zu vergessen: Fachmagazine und Blogs stellen zum Teil extrem detaillierte Tests und Erfahrungsberichte bereit. Ausführliche Testvideos in HD-Auflösung vermitteln oft einen besseren Eindruck von einem Produkt als ein Besuch im stationären Handel – selbst in Fällen, in denen ein Ausprobieren vor Ort möglich ist.
Ergänzt man all das um Informationen von Kunden (direkt in den Shops und auf speziellen Bewertungsplattformen sowie in Sozialen Netzwerken), gibt es meiner Überzeugung nach kaum noch einen Grund, Ladengeschäfte aufzusuchen. Ich behaupte, dass es vor allem an den Einkaufsgewohnheiten liegt, dass sich noch so viele Menschen auf den Weg machen. Gewohnheiten ändern sich nur langsam, aber sie ändern sich. Das bei stationären Händlern unbeliebte Showrooming ist nur der Anfang!
Wie es der Zufall will: Während der Arbeit an diesem Artikel ist mein neuer in einem Onlineshop gekaufter Fernseher geliefert worden. Anders als beim vorigen TV-Gerätekauf habe ich sogar das Angucken in Geschäften dieses Mal komplett ausfallen lassen. Ich wüsste nicht, welche Erkenntnis ich vor Ort hätte gewinnen können, die sich nicht auch online recherchieren ließ.