Delicious und Co: Nichts als Luftschlösser?

Geschrieben von am 20. Dezember 2010 in Kategorie Web 2.0

Als in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Yahoo mehrere seiner Projekte einstampfen möchte, sorgte die Nachricht für jede Menge Schlagzeilen. Im Blickpunkt steht seither der Social Bookmarking Dienst Delicious, den Yahoo einst teuer eingekauft hatte und jetzt vor einer möglichen Schließung steht.

Delicious selbst hat umgehend reagiert und einen Blogpost veröffentlicht, in welchem man Entwarnung gibt. Yahoo werden den Dienst nicht einfach schließen. Stattdessen bemüht man sich darum, einen Käufer zu finden. Seither wird in der Blogosphäre eifrig darüber spekuliert, wer als Käufer auftreten könnte.

Doch vielleicht wäre es gar nicht so verkehrt, sich erst einmal zu fragen, ob sich ein Käufer findet. Die zentrale Frage muss lauten, wer einen solchen Dienst kaufen möchte. Schließlich wollte Yahoo den Social Bookmarking Service nicht grundlos schließen. Es ist ganz offensichtlich, dass das Projekt zu wenig Geld abwirft und somit für den Eigentümer nicht rentabel ist.

Nun wird der eine oder andere womöglich argumentieren, dass man im Hause Yahoo unfähig ist und schlichtweg nicht weiß, wie man mit Social Bookmarking Geld verdient. Allerdings sollte man mit derartigen Thesen vorsichtig sein, denn letzten Endes bietet das Geschäft in der Tat nicht viel Potential. Es gab eine Zeit, da konnten Dienste wie Delicious oder Mister Wong bei Google richtig gut ranken. Doch ob damit eine gute Monetarisierung gelang, ist fraglich. Derzeit ranken die Projekte deutlich schlechter, weshalb deutlich weniger Werbeeinnahmen erzielt werden. Natürlich könnte man auch versuchen, auf die Premium-Schiene aufzusteigen. Doch wer sollte schon dafür bezahlen, um Seiten bookmarken zu können?

Alles in allem halte ich den Service für vollkommen überbewertet. In den letzten Tagen wurden sogar Blogposts veröffentlicht, in denen aufgezeigt wurde, wie man seine Delicious Bookmarks sichern bzw. exportieren kann. Doch wer macht das überhaupt. Die Anzahl der Hardcore-Nutzer, die ihre Webseiten tatsächlich über Delicious oder andere Social Bookmarking Dienste verwalten, dürfte verschwindend gering sein. Vielmehr wurden die Services einige Jahre lang intensiv von SEOs genutzt, um massenhaft Backlinks zu generieren.

Vielleicht würde der beste Ansatz zur Monetarisierung darin bestehen, starke Kategorieseiten aufzubauen und von dort kostenpflichte Do-Follow Links zu verkaufen. Andere Möglichkeiten, um Geld mit Social Bookmarking in seiner jetzigen Form zu verdienen, sehe ich nicht. Vermutlich dürften die Social Bookmarking Dienste nichts anderes als Luftschlösser sein, die in der heißen Phase des Web 2.0 entstanden sind. Die einzigen Gewinner sind diejenigen, die derartige Portale schnell hochziehen und dann mit sattem Gewinn verkaufen konnten.

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3 Comments For This Post

  1. annejoan says:

    Ich glaube, man ist im Irrtum, wenn man glaubt, dass delicious nicht in breiter Masse genutzt wird. Ich kenne verschiedene Communities, die es grundlegende nutzen, ebenso hätte es nicht den großen Protest, bei der Schließungsankündigung gegeben. Ich selbst nutze es mit mehreren Accounts und wäre ohne es im Internet verloren und könnte ebenso Teile meine wissenschaftlichen Arbeit nciht ausführen. Social-Bookmarking-Dienste nhaben vielleicht nicht unbedingt einen Mehrwert für den Anbieter, aber dafür einen umso höheren für die Nutzer.

  2. Oliver Springer says:

    Bookmarks online zu verwalten, ist extrem nützlich. Daher müsste ein solcher Dienst auch „für sich“ alleine interessant genug sein, um zahlreiche Nutzer zu finden.

    Allerdings werden diese Möglichkeiten wohl tatsächlich nur von recht wenigen Internetnutzern erkannt. Außerdem gibt halt eine Menge Möglichkeiten seine Bookmarks auf diese Weise zu verwalten. Bei Yahoo etwa ist eine Online-Lesezeichen-Verwaltung auch über Mein Yahoo!, die personalisierbare Startseite möglich. Und Mein Yahoo! bietet noch eine Reihe anderer nützlicher Möglichkeiten. So gesehen stellt sich die Frage, ob eine solche Doppelung überhaupt sinnvoll ist.

    Irgendwo hatte ich neulich gelesen, dass es für Twitter sinnvoll wäre, del.icio.us zu übernehmen. Da Twitter sehr stark für Leseempfehlungen genutzt wird, wäre das grundsätzlich interessant. Aber auch Google möchte doch seine Suche „sozialer“ gestalten.

    Zwischen Bookmarks und „Likes“ sehe ich sehr große Ähnlichkeiten. Vielleicht sollte man das Thema Social Bookmarking aus dieser Perspektive heraus neu denken.

    Was wirklich nötig ist: (Social) Bookmarking muss spannender werden. Der Nutzen ist wohl unbestreitbar sehr hoch. Das ist eine gute Grundlage, um das Thema interessant zu machen.

    Würde Apple einen entsprechenden Dienst starten, wäre das Thema mit einem Schlag wieder in.

  3. Sven says:

    Bevor ich Bookmarkdienste entdeckte gingen wichtige Seiten im Eifer des Gefechts oft verloren, da Sie aktuell zu unwichtig waren, um Sie im IE oder Firefox zu speichern. Würde ich jede Seite in meinen Offline-Favoriten hinterlegen wäre der Rahmen schnell gesprengt.
    Den Vorteil viele interessante Seiten mit Tags sofort zu speichern (auch wenn man Sie grad nicht braucht), merkt man oft erst nach einigen Wochen oder Monaten. Doch die Mühe hat sich gelohnt, wenn man dadurch einen -jetzt- wichtigen Bericht wiederfindet.
    Vorher hatte ich oft das Problem, dass ich mich an interessante Seite erinnerte Sie jedoch nicht mehr fand .. auch nicht über Google und co .. geschweige denn über die URL.