Wenn mich heute morgen jemand gefragt hätte, was Ecomstation ist, so hätte ich vermutlich auf einen WLAN-Router oder ein ähnliches Device getippt. Allerdings verbirgt sich hinter diesem Namen etwas vollkommen anderes, nämlich ein Betriebssystem. Um genau zu sein, handelt es sich um den Nachfolger von OS/2 – ein Betriebssystem, mit dem IBM in den späten 1990er Jahren kläglich gescheitert ist.
Also ich vorhin bei Golem über einen Ecomstation Beitrag gestolpert bin, wusste ich sofort, dass Ecomstation für unseren heutigen Blogpost herhalten muss. Denn OS/2 ist ein Betriebssystem, das meines Erachtens einfach nur viel Pech hatte. Mein erster „richtiger“ PC (es gab Zeiten, da war man mit einem Pentium 100 der King) wurde damals mit OS/2 ausgeliefert. Ich kannte das System zwar nicht, bin aber damals trotzdem gut mit ihm zurechtgekommen. Der DOS-Modus lief einwandfrei: Games wie Magic Carpet oder Command & Conquer liefen absolut stabil, inklusive Soundunterstützung und was sonst noch alles dazu gehörte.
Diese Zeiten liegen jedoch schon eine ganze Weile zurück: Trotz zahlreicher Vorinstallationen des Betriebssystems konnte es IBM nicht gelingen, sein Betriebssystem auf dem Markt zu etablieren. Obwohl Windows 3.11 x-Mal schlechter war, wurde es bevorzugt eingesetzt – und Windows 95 dürfte OS/2 wohl den Todesstoß versetzt haben. Zumindest bin ich damals umgestiegen und hatte dann lange Zeit nichts mehr von OS/2 zu hören bekommen.
Doch OS/2 lebt: Wie schon angerissen wurde, gibt es einen Nachfolger des IBM Betriebssystems, der auf den Namen Ecomstation lautet. Allerdings muss ich mich ernsthaft fragen, welche Chancen diesem Betriebssystem noch einzuräumen sind. Die Marktanteil ist verschwindend gering (im Consumerbereich dürfte es vermutlich gar nicht mehr vertreten sein) und andere Betriebssysteme kämpfen bereits zäh gegen Microsoft Windows an. Man denke nur an die Linux-Fraktion, die relativ stark geworden ist und trotzdem nur relativ kleine Erfolge feiern darf.
Weshalb wird OS/2 unter dem Namen Ecomstation weiterentwickelt? Erfolgt die Weiterentwicklung für irgendwelche Ultra-Nerds oder für ein paar wenige Geschäftskunden? Wer mit dieser Thematik vertraut ist oder gar aus der Ecomstation / OS/2 Szene stammt, darf mich gerne mal aufklären.
April 26th, 2010 at 17:37
Ihrer Bitte auf Aufklärung kommen wir gern nach. Grund für die Weiterentwicklung von OS/2 als eComStation ist ein bestehender Bedarf, den zu decken IBM nicht mehr willens ist. Unser Kundenstamm setzt sich sowohl aus Endanwendern als auch – mehrheitlich und in steigender Zahl – Geschäftskunden zusammen.
Bei den Endanwendern findet man sicher auch den Typ Computer-Enthusiasten, der gern alles ausprobiert, bei der Mehrzahl handelt es sich jedoch eher um erfahrene Computer-Nutzer, die das System gut kennen und schätzen, sowie einfache Anwender, für die schlicht das Prinzip „never change a winning team“ gilt.
Für unsere Geschäftskunden gibt es eine Reihe von Gründen, die für eComStation sprechen. Dazu gehören Investitionsschutz, geschäftskritische Anwendungen, technische Machbarkeit und Performance. Ein paar Beispiele:
– Manche Kunden setzen umfangreiche In-House-Anwendungen ein, die unter OS/2 entwickelt wurden. Eine Portierung auf oder Neuentwicklung für andere Plattformen würde sehr hohe Kosten verursachen. Die Weiterführung des status quo mit ggf. Aufrüsten auf neuere Hardware oder Umsatteln auf Virtualisierung ist die meist weitaus günstigere Lösung.
– Andere Kunden betreiben unter OS/2 geschäftskritische Steuerungssysteme, bei denen Ausfälle absolut keine Option darstellen, weil sie das Potential haben, die Grundfesten des Unternehmens zu erschüttern. Die Kosten für eine Migration wäre hier noch höher als im ersten Fall, da es sich um komplexe Szenarien handelt, die zudem sehr ausführliche und intensive Tests erfordern. In diesen Fällen fällt Virtualisierung aufgrund der Echtzeitnatur der Sache meist als mögliche Lösung aus.
– Wiederum andere Kunden nutzen OS/2 im Bereich Embedded Systems und anderweitig Hardware-naher Systeme. Grund dafür sind seine nach wie vor überlegenen Multi-Tasking-Eigenschaften in Kombination mit geringem Ressourcenverbrauch. Ein Umschwenken auf andere Systeme würde die Gewinnmarge in mehrfacher Hinsicht schmälern. Virtualisierung kommt aufgrund des eingeschränkten Hardware-Zugriffs nicht in Frage.
– Schließlich gibt es Kunden, die weiterhin vorhandene DOS-Anwendungen einsetzen möchten. Die in OS/2 eingebaute Emulation ermöglicht ihnen, sie auf nicht von DOS unterstützter Hardware zu betreiben. Die Bereiche Drucken und Vernetzung profitieren hier ebenfalls. Darüber hinaus ist auch ein weitgehend direkter Zugriff auf Spezial-Hardware möglich.
Bei all diesen Kunden besteht Bedarf nach einem Update, mit dem OS/2 auch auf aktueller Hardware eingesetzt und der Wartungsaufwand minimiert werden kann. Ihre Anzahl ist weitaus höher als allgemein angenommen. Tatsächlich ist 2009 im Bereich Geschäftskunden das bisher erfolgreichste Jahr gewesen, und das erste Quartal 2010 weist eine weitere Steigerung auf. Daher bieten wir eComStation weiterhin an, z.B. auch für ATM-Betreiber (http://www.ecomstation.com/atm/), und treiben die Entwicklung fort.
Über diesen Themenbereich ist wenig bekannt, da die meisten unserer Kunden die Nutzung von OS/2 bzw. eComStation nicht öffentlich machen will. Manche würden es bei Nachfrage wahrscheinlich sogar dementieren. OS/2 hängen die Etiketten „tot“ und „veraltet“ an, und man möchte nicht mit diesem Image in Verbindung gebracht werden, das über lange Zeit „gepflegt“ wurde und sich entsprechend festgesetzt hat.
Was ein momentan umgehendes Gerücht angeht: Wir planen nicht, Teile von OS/2 für Linux zu portieren. Wir ziehen zwar in Betracht, für bestimmte Anwendungszwecke in Zukunft vorkonfigurierte Virtualisierungslösungen anzubieten, aber der Schwerpunkt liegt klar auf Weiterentwicklung und Support des Systems eComStation.
April 26th, 2010 at 18:55
Vielen Dank, Herr Hennecke! Wir haben zwar damit gerechnet, dass aus der OS/2 Fraktion eine Rückmeldung kommt, aber mit einem solch ausführlichen Feedback hatten wir keinesfalls gerechnet.
April 27th, 2010 at 10:20
Es wäre schön und sehr nützlich, wenn die Entwickler der eComStation auch das gute alt bekannte „VirtualPC für OS/2“ von Innotek, das MicroSoft nach Bekanntwerden der Qualitäten von „VirtualPC für OS/2“ flugs aufgekauft hat, wiederbeleben würden.
April 27th, 2010 at 13:57
Das OEM-Produkt eComStation stellt keinesfalls ein neues Betriebssystem oder eine Weiterentwicklung von OS/2 dar. Vielmehr ist es eine oberflächlich aufpolierte und verbastelte Distribution des letzten Versionsstandes (IBM 2006) von OS/2. Geschäftskunden werden sicherlich die, im Vergleich zu den letzten von IBM ausgelieferten OS/2-Versionen, geringere Stabilität zu schätzen wissen. Eine Vielzahl der Änderungen betrifft die Benutzeroberfläche und mitgelieferte Freeware-Programme. Auffällig ist auch die scheinbar nicht richtig funktionierende Installation von bestimmten Druckertreibern. Neue Drucker- und Gerätetreiber sowie Innovationen am Basissystem sucht man vergeblich.
Schade, daß der Distributor (Mensys) von eComStation es schon seit Jahren nicht schafft, auch nur eine Hardware-Zertifizierung oder brauchbare Kompatibilitätslisten vorweisen. Ein vernünftiges Ankündigungsschreiben für die neue Version wäre deutlich informativer und seriöser.
Man hat durchaus das Gefühl, daß die „Entwicklung“ für „Ultra-Nerds“ stattfindet, und wenig Interesse für die Anforderungen im kommerziellen Bereich gezeigt wird.
April 30th, 2010 at 04:35
>Windows 95 dürfte OS/2 wohl den Todesstoß versetzt haben.
Es ist vielmehr die hervorragende Marketingmaschinerie von MS gewesen und ein nicht gerade glückliches Marketing seitens IBM.
Allerdings als Windows 95 erschien, erschien auch OS/2 WARP 3 und alsbald danach Warp 4 mit Diktatsystem, Sprachsteuerung etc. alles ins Betriebssystem integriert uva. Technologie mehr, die erst dazu diente Weiterentwicklung mit weiteren 10 järhigem Vorsprung zu betreiben. Zu dem Zeitpunkt nahm die OS/2 Anwenderzahl immer noch zu.
Bill Gates, Microsoft: „Ich, glaube OS/2 ist es vorherbestimmt, das wichtigste Betriebssystem und vielleicht Programm aller Zeiten zu sein.“
Damals fragte man übrigens immer was Linux sei. Ohne die 1 Milliarde, die IBM in die Weiterentwicklung von Linux gesteckt hat, wäre auch das viel weniger. Hinzukommend hat MS Anteile an vielen Linux Distributionen. Man kauft also auch bei Linux einen Anteil MS mit.
Auf der anderen Seite ist es auch viel Dummheit von Anwendern, die auch 10 Jahre veraltete Technik lieber einsetzen, wenn es der Marktführer verkauft. Es ist nur wichtig, dass man Marktführer ist, dann läuft die Masse einfach dem Stärkeren hinterher. Allein das und andere marketingtechnische Gründe haben so gesehen aber OS/2 immer noch keinen Todesstoß versetzt. Denn OS/2 gibt es im Gegensatz zu zB. Nextstep oder BeOS immer noch.
Auch im vorstehendem Artikel „Ist OS/2 nicht schon lange tot?“ wird dieses nicht an dem Nutzen des Betriebssystems für den jeweiligen Anwender und der Technik für den jeweiligen Anwender bemessen, sondern auch rein an der Anzahl der Anwender und der Marketingmacht die dahinter steht.
Auch das Betriebssystem QNX hatte immer nur einen geringen Marktanteil und ist immer noch nicht tot. Wie viele andere auch.
Zwischenzeitlich ist allerdings das DOS basierende Windows 3.x/9x/ME im Grunde komplett ausgestorben.
ct magazin 9/95 „Provisorien 95: OS/2 WARP v3 und Windows 95″: Windows 95 stellt architektonisch eine Sackgasse dar, die nie zur Durchfahrstrasse mutieren wird. OS/2 hingegen hat schon eher das Zeug, durch konsequente Weiterentwicklung nochmals zu gewinnen“.
Chip 3/97 Software Produktidee: 1.Platz OS/2 WARP v4
Das die Anwenderanzahl gegenüber anderen Betriebssystemen gering ist und noch geringer geworden ist liegt also nur daran, weil IBM OS/2 nicht mehr weiterentwickelt hat. Das lag auch an einer ständigen marketingtechnischen Behinderung seitens MS, die zB. Computerhersteller dadurch zwangen nur Windows auf ihren Rechnern vorzuinstallieren, weil diese ansonsten durch MS nicht mehr beliefert würden oder diesen die Linzenzkosten erhöht werden würden. Entsprechend hat man auch IBM gedroht.
Bis zum heutigem Tage erklären Anwender, die das BS (also zu 99% Windows) auf dem Computer mitgekauft haben, dass diese es kostenlos mit dem Rechner erhalten haben. Das das dennoch Geld gekostet hat und der Rechner ansonsten billiger gewesen wäre können viele geistig gar nicht umsetzen. Für diese ist das Betriebssystem kostenlos und die Raubkopien ebenfalls und auch die jahrelange extrem teure Treiberentwicklung für diverse Windowsversionen, die im Kaufpreis der Hardware versteckt ist. Es ist aber letztlich ganz genau das Gegenteil der Fall nur werden die Kosten dafür überall versteckt. Und so lange OS/2 nicht über 5% Marktanteil hinaus kam, da war die Treiberentwicklung auf die Anzahl bemessen halt teurer oder gleichteurer wie die für Windows.
Geburtstag: 10 Jahre OS/2 2.0
„Unkaputtbar, Zehn Jahre OS/2 mit der Technik von heute
Dabei kann OS/2 2.0 von 1992 auch im Vergleich zu Windows XP von 2002 konzeptionell durchaus noch mithalten – das spricht für die 1992er Systemarchitektur.“
ct magazin 9/2002, Seite 41
„Oder all die krampfhaften Versuche, ein Betriebssystem zu bauen, mit dem ein normaler Mensch umgehen kann. Erinnert sich noch jemand an OS/2? Bekannt geworden vor allem dadurch, dass man ohne Probleme gute Technik durch mieses Marketing und Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Sand setzen kann. Und wie war das mit Windows 98: Miese Technik durch gutes Marketing trotz Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Markt gedrückt. Aber erst Linux! Bewundernswert als Beweis, dass aus uralter Technik bei geschicktem Marketing und penetranter Besserwisserei gegenüber Anwenderwünschen ein Kult entsteht, gegen den Sex, Drugs und Rock´n´Roll spießig wirken. Apples Leistung, Spät-Hippies mit veralteter Software und überteuerter Hardware in moderne Yuppies zu transformieren, ist allerdings auch kein schlechtes Kunststück.“
ct 26/1999 editorial
Es gab und gibt viele gute Anwendungen für OS/2 nur waren diese eben alle nicht als Raubkopien verfügbar, welches für viele Anwender ein KO-Kriterium darstellt.
Damit habe ich auch gearbeitet und es wurde tatsächlich das auf dem Bildschirm angezeigt was hinterher auf dem Drucker erschien und mir ist außerdem nie wieder ein Dokument verloren gegangen (Das gejaule zur damaligen Zeit von Win9x Anwendern hat man sich kaum anhören können.).
Describe für OS/2:
ct magazin 4/96 Seite 308: „Es ist das einzige Programm, dem ich zutraue, eine ganze Tageszeitung vom Format der FAZ in einem einzigen Dokument zu verwalten. Das würde sicher niemand ernsthaft erwägen, gibt aber doch einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit.“
PC-Professional 1/97 Seite 152: „Selbst 20MB große Dateien zwingen OS/2-Describe nicht in die Knie“.
Ich finde OS/2 immer noch grandios gut und auch die Funktionen der Workplace Shell sind unter Linux stetig kopiert worden. Dennoch bin ich zwangsläufig gezwungen auch Windows zu nutzen.
Februar 7th, 2011 at 20:39
Hallo,
ich persönlich würde mir von IBM und eComstation wünschen, dass es wirklich wieder ein brauchbares (Treiber etc..) OS/2 System gäbe, natürlich auch 64-Bit.
In all den Jahren, in denen ich die Entwicklung des PC’s mitgemacht habe, war es mit Abstand das brauchbarste System: komfortabel wie Windows und stabil wie Linux/Unix.
Ich gehe sowweit zu behaupten, dass Microsoft bis heute noch keine vergleichbar gute Technologie aufweisen kann (OS und Office) und es scheint mir als sicher, dass MS nur dank eher unfäirer und unschöner Methoden die Marktführerschaft hat.
MS kennt sich gut mit (Zwangs-)Marketing aus, mit (guter) Software sicher nicht.
Leider, leider, hat man jedoch kaum eine Wahl.
Die Schuld auf die Konsumenten zu schieben, hilft auch nicht. Das Marketing von MS + Partnern, macht das Seine und man kann nicht von jedem Kunden der Geiz- und Blödmännermärkte erwarten, dass sie sich in die nicht unkomplexe Materie von echten Betriebssystemen einarbeiten.
Hersteller (Hard- und Software) sind auch eher den Gewinn versprechenden Systemen zugetan (verständlich…) und der Aufwand geeignete Peripherie zu finden ist heute auch nicht ohne….
Was mir als EDV-Trainer mehr und mehr auffällt, ist die zunehmende „Verdummung“ und Kontrolle der Masse durch Betriebssysteme wie Windows, iOS, Android etc…
Es geht um Geld, nicht um Qualität, und je uninformierter der Kunde, je ahnungsloser und kontrollierbarer, desto mehr Gewinn läßt sich machen.
Immerhin: man muss Herrn Gates zugutehalten, dass er, in seinem Weitblick, diese Entwicklung einleitete. Denn, ganz egal wie viel er heute von seinem Vermögen (zu seinem Interesse) spendet: ein Heiliger ist er ganz sicher nicht.
Was bleibt ist eine Wahrheit:
Nicht immer setzt sich der oder das Bessere durch…
das ist meine Meinung,
Willi