Paid Content: Der Anfang vom Umdenken

Geschrieben von am 02. Januar 2010 in Kategorie Meinung

Das neue Jahrzehnt wird ein großes Umdenken beim Thema Paid Content bringen. Die Qualität des Journalismus wird steigen und die Nutzer werden zufriedener sein, weil sie merken, dass sie für Geld bessere Inhalte bekommen und sie sich für Gratis-Inhalte nicht vor den Markteting-Nacktscanner der Werbevermarkter stellen wollen.

Zum Jahreswechsel 2008/2009 stellte ich an dieser Stelle fest bzw. fragte ich: Internet schlägt Print bei News – aber wo ist das Geschäftsmodell? Das vorige Jahr hat den Journalismus noch nicht aus der Krise geholt, doch gerade die Einbußen bei den Werbeeinnahmen sorgte nicht allein in einigen Medienhäusern endlich für den erforderlichen Veränderungsdruck, den hauptsächlich über Werbung finanzierten Onlinejournalismus infrage zu stellen und das Thema Paid Content neu zu durchdenken. Umfragen zu Bezahlinhalten gehen meist noch so aus, dass die wenigsten Nutzer eine Bereitschaft erkennen lassen, für journalistische Inhalte zu bezahlen.

In der digitalen Dekade haben die meisten geradezu eine Anspruchshaltung entwickelt, was das Thema Gratis-Inhalte angeht. Doch vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen muss man die Umfrageergebnisse auch sehen: Wer es nicht gewohnt ist, für bestimmte Inhalte zu bezahlen, wird daran festhalten wollen. Und wer zahlt schon freiwillig Geld? Aber beim Thema Datenschutz wächst die Sensibilität. Das große Datensammeln, vor dem vielen Menschen graut, dient schließlich dem Marketing.

Gewohnheiten verändern sich nicht über Nacht, aber innerhalb des neuen Jahrzehnts werden sich Bezahlinhalte durchsetzen, davon bin ich überzeugt. Es gibt einige digitale Inhalte und Dienste, für die Geld ausgegeben wird. Für MP3-Dateien mit Musik Geld auszugeben, ist heute nicht mehr ungewöhnlich. Sicher, es gibt noch sehr viele illegale Downloads, aber die Zahl der bezahlten Downloads in Bereichen wie Musik und Filmen steigt kräftig. Entscheidend ist zudem nicht die Zahl der illegalen Downloads, sondern die der bezahlten, nur auf die kommt es an.

Nicht zu Unrecht werden große Hoffnungen in die Nutzer von Mobiltelefonen gesetzt, denn ob Klingeltöne, SMS oder jetzt Apps, Geld zu bezahlen klingt nicht verrückt, sondern ist ganz normal. Das hängt nicht zuletzt auch von einfachen, sicheren Bezahlmöglichkeiten ab. Es ist jedenfalls eine Tatsache, dass für digitale Inhalte und Dienste Geld ausgegeben wird. Verständlich ist daher, dass die Verleger die geplante App der „Tagesschau“ als Bedrohung sehen.

In 2009 wurde viel über Paid Content geredet, aber wenig wurde in der Hinsicht umgesetzt. Die Bezahlschranken des Springer-Verlags für ausgewählte Inhalte wie den Lokalteil des Hamburger Abendblatts haben für Aufsehen gesorgt und der Ausgang dieses Experiments ist ungewiss. Ausgerechnet den Lokalteil kostenpflichtig zu machen, ist jedoch schon deshalb eine gute Idee, weil das Angebot an gleichwertigen, kostenlos zugänglichen Informationen gering ist. Über die Weltpolitik kann man sich aus einer unüberschaubaren Zahl von Medien informieren, im lokalen Bereich gibt es nur wenige Alternativen.

Das Neue 2009 war, dass neben den Stimmen derjenigen, die Bezahlinhalte generell ablehnen bzw. für einen Irrweg halten, einige zu hören waren, die den Ansatz, für journalistische Inhalte Geld zu verlangen, für richtig halten. Kritik bezog sich zudem oft in erster Linie auf die Wie, nicht auf das Ob. So findet sich selbst in einem Artikel von Stefan Niggemeier, den man getrost ab Abrechnung mit dem Vorstoß des Springer-Verlags bezeichnen kann, folgender Satz: „Man kann darüber reden, inwiefern eine vollständige Abhängigkeit von Werbeeinnahmen gefährlich sein kann für unabhängigen Journalismus, aber mit jemandem, der so unredlich ist wie Iken, kann und muss man darüber nicht reden.“

Niggemeier nennt außerdem die meiner Ansicht nach beste Erklärung dafür, warum die Online-Medien Probleme mit der Finanzierung haben: Werbeflächen gibt es online nicht nur rund um journalistische Inhalte herum, sondern auch bei vielen anderen Arten von Online-Angeboten. Schlimm genug, dass es Werbeflächen im Überfluss gibt, die journalistischen Texte bieten für viele Werbetreibende nicht einmal ein besonders attraktives Umfeld. Der CEO von Google, Eric Schmidt, widersprach dem Vorwurf, sein Unternehmen mache auf Kosten der Zeitungen Gewinne, mit folgender Argumentation: Die Kasse klingelt bei Google, wenn jemand nach einem Begriff wie Digitalkamera suche, nicht nach Begriffen wie Afghanistan. Klar, wer eine Digitalkamera kaufen möchte und sich im Internet danach umschaut, ist ein wertvoller Besucher, dessen Klick sich die entsprechenden Onlineshops etwas kosten lassen.

Und überhaupt: Welcher Werbetreibende möchte seine Werbung schon neben den schlechten Nachrichten aus Krisengebieten sehen? Neben einem Artikel darüber, worauf es beim Kauf einer Digitalkamera ankommt, um beim Beispiel zu bleiben, ist dagegen ein sehr guter Platz für Anzeigen von Shops, die solche Kameras verkaufen. Nimmt man das zusammen mit dem Umstand, dass es nicht die anspruchsvollen Themen sind, die über die Suchmaschinen den großen Traffic bringen, braucht man nicht viel Fantasie, um zu erkennen, wohin das führt: Die Nachfrage bestimmt das Angebot.

André Vatter hat auf basicthinking.de kurz vor Weihnachten in weiten Teilen den Artikel geschrieben, den ich mir eigentlich für heute schon vor zwei Monaten zu schreiben vorgenommen hatte. Er spricht sich für Bezahlangebote aus und kommt bei immerhin 313 abgegebenen Stimmung bei einem Voting sogar zu dem hoffnungsvoll stimmenden Ergebnis, dass 31 % der Leser des Blogs grundsätzlich bereit sind, monatlich Geld für den Blog zu bezahlen. In dem Artikel beleuchtet er drei Fragen: „1.) Warum soll ich für schlechte Qualität bezahlen?“, „2.) Die schalten doch Werbung, das reicht!“ und „3.) Wenn ich zahle, will ich keine Werbung sehen!“. Größtenteils stimme ich ihm zu.

Noch etwas zum Thema Qualität: Besonders wenn es um Stellenabbau geht, hört man immer wieder, dass die Verlage stattdessen lieber in Qualität investieren sollten, dann würden sie auch wieder mehr verdienen. Das wäre schön, ich fürchte jedoch, dass die Zeitungsverlage ein anderes Qualitätsproblem haben: Die Qualität ihrer Artikel ist noch viel zu hoch, um die derzeit benötigten hohen Besucherzahlen zu erzielen.

Sehr konsequent begegnet Aol. dem Problem. Über den einstigen Online-Riesen (der übrigens immer noch groß ist und Geld verdient im Gegensatz zu mach einem Start-up, das die Leute lieben) findet sich im Netz kaum ein gutes Wort, doch seit der einstige Google-Manager Tim Armstrong das Ruder übernommen hat, richtet sich das Unternehmen neu aus und konzentriert sich auf Inhalte, solche Inhalte, die sich zu Geld machen lassen und lange verwertbar bleiben, also nicht wie aktuelle Nachrichten morgen schon von gestern sind. Computer ermitteln, welche Themen im Internet gerade gefragt sind und dazu schreiben die Redakteure dann fix Artikel. Ich sehe das nicht so negativ, aber man kann daraus auch ableiten, dass Qualitätsjournalismus unter den gegenwärtigen Bedingungen im Internet kaum zu finanzieren ist. Noch radikaler umgesetzt hat Demand Media dieses Geschäftsmodell, das bei wired.com ausführlich beschrieben wird. Michael Arrington von TechCrunch spricht von „fast food content“ und davon, dass ihm diese Entwicklung Angst mache.

Mir macht das keine Angst, denn ich vertraue darauf, dass nicht alle Menschen immer nur Fast Food-Inhalte möchten, sondern es genügend Leute gibt, die der hochwertigen Gastronomie oder den Bio-Läden ihr Auskommen sichern, um im Bild zu bleiben. Können die Inhalte der gedruckten Zeitungen nicht mehr in der Zweitverwertung online gratis angeboten werden, weil es keine gedruckten Zeitungen mehr gibt, werden sich Menschen finden, die für unabhängigen Online-Journalismus bereit sind zu zahlen. Journalisten, die von ihren Lesern und nicht von Wirtschaft oder Staat finanziert werden, können kritisch und unabhängig im Interesse ihrer Leser arbeiten. Letztlich bestimmt immer der, der bezahlt. Ich vertraue darauf, dass es eine Menge kluger Menschen gibt, denen das nicht nur bewusst ist, sondern daraus die Konsequenzen ziehen. Am Ende des Jahrzehnts wird Paid Content ein weithin akzeptiertes Geschäftsmodell sein.

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2 Comments For This Post

  1. John says:

    Vielen Dank für diesen informativen Beitrag. Ich bin auch der Hoffnung, dass ein wenig von der „Alles-umsonst-Mentalität“ im Internet verloren gehen sollte; die Vorstöße von Murdoch bzgl. Paid Content etc. finde ich richtig – ohne dabei das ewige Rumtrampeln auf Suchmaschinenbetreibern gut zu heißen. Das größte Problem wird sein, eine geeignete Abrechnungstechnologie zu entwickeln; Die sog. „Apps“ funktionieren u.a. doch deshalb so gut, da die User kaum mit der Bezahlung in Berührung kommen: das läuft unkompliziert ab, ist auf der anderen Seite auch wieder gewissermaßen bedenklich. Wie dem auch sei, ich bin sehr gespannt auf die nächsten Jahre und hoffe, dass guter Journalismus auch online möglich ist und fair bezahlt werden kann.

  2. Moritz says:

    Noch eine kurze Anmerkung zu DemandMedia: Dieses Modell funktioniert nur dort, wo eine entsprechend große Online-Zielgruppe vorhanden ist, sprich: in Sprachen wie Englisch oder vielleicht künftig Chinesisch. In Deutschland ist das Modell meiner Meinung nach untauglich: Wenn der Markt hierzulande nur rund ein Viertel der Internet-Nutzer der USA umfasst, dann könnte ein deutscher DemandMedia-Clone auch nur ein Viertel der US-Beträge für die Artikel bieten. In Anbetracht des deutschen Lohn-Niveaus und der komfortablen sozialen Absicherung hierzulande völlig indiskutabel.

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