Der seit rund 100 Tagen bei AOL den Ton angebende CEO Tim Armstrong hat große Pläne für den alten Internetkonzern. In den nächsten beiden Jahren soll AOL zum führenden Anbieter eigener Inhalte im Netz werden. Am Freitag wird Armstrong die Strategie dafür vorstellen.
In ruhigem Fahrwasser ist der Konzern noch lange nicht, der ehemalige Google-Manager Tim Armstrong hat noch viele Herausforderungen vor sich, doch die Zukunft des Unternehmens vor allem in der Inhalteproduktion zu sehen, könnte der wichtigste Schritt seit langem sein. Die unter der Anfang des Jahres ins Leben gerufenen Dachmarke MediaGlow operierende Konzernsparte für redaktionelle Inhalte konnte erst Anfang der Woche wieder mit guten Zahlen glänzen.
Die rund 75 Websites der Sparte wuchsen unterschiedlich stark. Besonders gut entwickelten sich AOL Music, AOL Television und BlackVoices, doch auch die Portalseite AOL.com konnte stark zulegen. Letzteres ist sehr interessant, denn so manch Blog im MediaGlow-Portfolio lebt wohl zu großen Teilen vom AOL-Traffic. Das Portal ist auf alle Fälle eine gute Basis, um neuen Sites Starthilfe zu geben.
Was einmal aus AOL werden soll, besonders da eine Trennung vom Mutterkonzern Time Warner ansteht, wird hoffentlich bald klar, vielleicht am Freitag. Das unklare Profil von AOL dürfte eines seiner Hauptprobleme sein. Über im Vergleich zu AOL winzige Unternehmen wie Twitter wird ständig berichtet, die Tech-Blogs lieben den Mikroblogging-Dienst. AOL ist diesbezüglich ein Zwerg obwohl es bei den Nutzerzahlen in den USA an vierter Stelle hinter Google, Yahoo und Microsoft liegt. In den USA kamen die Websites von AOL im Monat Mai auf 107 Millionen Besucher. Im Gegensatz zum omnipräsenten Facebook erzielt AOL (bei allen Problemen) seit Jahren Einnahmen in Milliardenhöhe.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass AOL ein großes Wahrnehmungsproblem hat. Es war übrigens die auf Promi-News spezialisierte AOL-Website TMZ.com, die als weltweit erste über den Tod von Michael Jackson berichtete. Mangelndes Interesse an den Inhalten von AOL ist auch sonst nicht festzustellen. Sites wie Asylum, Lemondrop und der beliebte Gadget-Blog Engadget sind sehr gut besucht. Der größte Anbieter von Inhalten im Internet zu werden, hieße, die Sparte MediaGlow weiterzuentwickeln.
Der AOL-Boss glaubt fest an das Geschäft mit den Inhalten, besonders bei Videos möchte er zulegen. Erst letzten Monat führte er dem Imperium zwei Websites für lokale Inhalte zu, Patch Media und Going Inc., diesen Monat wurde die Martial Arts Website MMAFighting.com übernommen. Das Modell, sich eine für Werbetreibende attraktive Nische zu suchen und ein kleines Team von fünf bis sieben Leuten daran arbeiten zu lassen und die Site an den Traffic von AOL anzukoppeln, hat sich bewährt, Wettbewerber wie MSN und MySpace unternehmen inzwischen ähnliche Anstrengungen.
Das Social Network Bebo muss sich dagegen erst noch bewähren, sogar ein Verkauf scheint möglich. Die Verbindung mit dem immer noch sehr weit verbreiteten Instant Messaging-Dienst AIM hob Tim Armstrong auf.
Auf einem neuen Kurs ist zum Teil schon die Werbesparte Platform-A: Mit Werbung überladene Websites wie das AOL-Portal und der Kartendienst MapQuest wurden aufgeräumt, um für Nutzer attraktiver zu werden und die verbleibenden Werbeflächen teurer verkaufen zu können. Bald soll es bei AOL einen Selbstbedienungsbereich für Onlinewerbung geben, wie ihn die Konkurrenz, allen voran Google mit seinen AdWords, längst hat. Bisher gibt es keine solch einfachen Buchungssysteme, obwohl gerade damit viele kleine Firmen überhaupt erst Onlinewerbung schalten. Zudem werden die unzähligen Möglichkeiten zur Werbebuchung, die zum Teil den zahlreichen Zukäufen der Vergangenheit geschuldet sind, vereinfacht.
So überzeugend die einzelnen Schritte wirken mögen, noch fehlt das gewisse Etwas, damit AOL wieder spannend wird. Ob es AOL-Chef Tim Armstrong am Freitag gelingt, die dafür notwendigen großen Ideen zu präsentieren? Welchen Weg sollte AOL künftig einschlagen?