WWGT? Was würde Google tun? Diese Frage ist der Titel des neuen Buchs von Jeff Jarvis, der darin klar verständlich die Prinzipien beschreibt, mit denen Google seine Spitzenstellung im Internet erlangt und die Welt mehr verändert hat, als den meisten von uns bewusst ist. Könnte es ein besseres Thema geben, mit dem wir uns zum einjährigen Bestehen von TechBanger befassen sollten?
Ohne Google und die Veränderungen, die das Unternehmen nicht allein in der Online-Welt bewirkt hat, gäbe es dieses Blog nicht. Google revolutionierte nicht einfach nur die Art und Weise, wie Suchmaschinen arbeiten. Die eigentliche Revolution kommt durch das, was Jarvis als „Google-Denken“ bezeichnet. Deshalb geht es in „Was würde Google tun?“ nicht ausschließlich um den Internetgiganten. „Google dient uns als Denkmodell für neue Ideen, weil sein Erfolg für sich spricht“, erklärt der Autor in der Einleitung. Er nennt Google das „erste Unternehmen der neuen Medienwelt“, während er über Yahoo und AOL urteilt, dass sie Geschichte seien, weil sie nach überholten Regeln arbeiteten.
Das ist typisch für den Stil des Autors, der wie eine Suchmaschine auf alles eine Antwort zu haben scheint. Jeff Jarvis nervt, doch sein Buch kann man ohne mit der Wimper zu zucken zur allgemeinen Pflichtlektüre erklären. Seine viel zu unkritische Begeisterung für den Internet-Giganten und seine Erfolgsstrategien schaden der Relevanz des Werks nicht.
„Ob es um Management, Handel, Nachrichten, Medien, Produktion, Marketing, Dienstleistungen, Politik, die Regierung oder gar Bildung und Religion geht, die Anwtort auf diese Frage ist der Schlüssel zum Überleben in einer Welt, die sich radikal und dauerhaft verändert hat.“ Richtig, deshalb sollten sich „Was würde Google tun?“ nicht nur Leute fragen, die im Bereich Internet und Medien beschäftigt sind.
Das Ende April bei Heyne in deutscher Übersetzung erschienene Buch besteht aus vier Teilen: Nach der gelungenen Einleitung „WWGT?“ kommen „Die Google-Regeln“, in denen Jeff Jarvis selbst für die Blogger auf Tech-Blogs noch spannende Erkenntnisse bereithält. Das ist der beste Teil. Ähnlich umfangreich ist der mit „Wenn Google die Welt regierte“ überschriebene Abschnitt, in dem sich der Autor der Reihe nach die Medien, Werbung, den Einzelhandel, Energieversorgung, Herstellung, Service, Geld, das Gemeinwohl, öffentliche Einrichtungen und schließlich Ausnahmen vornimmt. In einigen Abschnitten überschreiten seine Gedankenspiele nicht nur die Schmerzgrenze von Menschen, denen Datenschutz etwas bedeutet oder die uns alle schon auf der Datenautobahn in Richtung eines globalen Überwachungsstaats wähnen.
Der Schmerz ist gut, denn bei aller Begeisterung für Technik und Internet, für den Long Tail mit seinen Nischen und die Machtverschiebung zu den Usern im Web 2.0 ist es höchste Zeit, dass die Apologeten des Social Web mögliche Entwicklungen hinterfragen, um eventuell notwendige Korrekturen auszumachen. Nicht alles, was für Google gut ist, ist für alle anderen gut. Immerhin schließt Jarvis mit einem Abschnitt über die „Generation G“, die „Generation Google“, für die Begriffe wie Beziehungen und Privatsphäre bereits neue Bedeutungen haben.
Obwohl Jeff Jarvis das „Google-Denken“ mehr predigt als erklärt und den Ungläubigen, die sich der Einsicht der Umkehr verweigern, ihren baldigen Untergang prophezeit, gibt er seinen Lesern wertvolle Informationen und Inspiration. Mit „Was würde Google tun?“ stellt er die richtige Frage. Jeder sollte sie sich für seine Lebensumstände stellen. Ob man mit den Antworten im Buch glücklich wird, steht auf einem anderen Blatt.
Was denkt Ihr über das Buch? Was haltet Ihr von den Ideen, die der Autor im Abschnitt „Wenn Google die Welt regierte“ skizziert? Falls Ihr das Buch nicht lesen wollt, wie rechtfertigt Ihr das? 😉
Mai 13th, 2009 at 08:28
Na dann herzlichen Glückwunsch zum Blog-Geburtstag! Toller Beitrag, vielleicht sollte ich das Buch tatsächlich lesen.
Mai 13th, 2009 at 17:12
@Friedemann: Ja, unbedingt! Es liest sich auch flüssig. Durch die gute Gliederung kann man auch immer mal ein Kapitel lesen und es erstmal wirken lassen, bevor man sich das nächst vornimmt.
Mai 13th, 2009 at 23:54
Alles Gute zum 1. Geburtstag! 🙂
Lieben Gruß Toni
Mai 14th, 2009 at 23:40
@Toni: Danke!
Mai 15th, 2009 at 21:40
Ich habe das Buch auch gerade ausgelesen. Insgesamt finde ich es sehr unterhaltsam und anregend, wenngleich manche der Aussagen von Jarvis schon so dermaßen Pro-Google sind, dass man meinen könnte, er wurde von Google gesponsert 😉
Trotzdem lesenswert. Gute, teils radikale Ideen, die zum Nachdenken – und vielleicht auch zum Umsetzen – anregen.
Mai 15th, 2009 at 22:12
@Martin: Könnte man zuerst meinen, dass Jeff Jarvis von Google unterstützt wird.
Ich denke allerdings, dass es sich eher um ein (ohne das abwertend zu meinen, ganz und gar nicht, Jeff Jarvis macht das sehr elegant und clever!) parasitäres Verhältnis handelt.
Es findet geradezu eine Image-Transfer von Google auf Jeff Jarvis statt. Er nutzt Google geradezu schamlos für seine Selbstvermarktung, dennoch ist es für Google ein Gewinn. Da haben beide Seiten etwas von.
Das ist wie mit anderen Ratgebern und Anleitungen auch: Viele können etwas lernen, doch oft passen die Empfehlungen nicht für alle.
In seiner Situation ist diese Offenheit, die er vorgeblich praktiziert, sehr nützlich. So manch anderer würde sich Probleme ohne Ende mit einem solchen Verhalten schaffen.
Mai 17th, 2009 at 18:02
Hallo Oliver,
danke fuer die Verlinkung. Ich wuerde jetzt nur nicht sagen, dass meine Rezension begeistert ist. Ich finde die Thesen von Jarvis aus marketingtechnischen Gruenden einfach interessant. Ich stimme voll zu, dass Jarvis die Schmerzgrenze, gerade was den Datenschutz angeht, manchmal ueberschreitet. Allerdings zeigt Jarvis einen ganz anderen Blickwinkel auf den Datenschutz wie auch die Urheberrechtsproblematik als er vor allem in Deutschland ueblich ist. Man kann nun darueber disktutieren, ob das gut oder schlecht ist, ich befuerchte nur, dass die in Deutschland gepflegte restrektive Betrachtungsweise langfristig dazu fuehrt, das man den Anschluss verliert. Das zeigt das Buch von Jarvis auch sehr deutlich. Wuerde mich uber weitere Diskussionen zu diesem hochinteressanten Thema freuen.
Simone
Mai 19th, 2009 at 21:03
@Simone: Das stimmt, dieser andere Blickwinkel auf das Thema Datenschutz ist interessant. Um einmal darüber nachzudenken und die eigene Sichtweise infrage zu stellen, ist das eine gute Gelegenheit.
Ich bin der Ansicht, dass wir eine neue Sicht auf das Thema Datenschutz benötigen. Den Datenschutz allerdings ganz zu vergessen, so weit würde ich nicht gehen wollen.
Man kann sich ja einfach mal selbst fragen, was man mit den Daten, die man über andere Menschen hat, macht.
Die Risiken, die in bestimmten Daten liegen, sind beträchtlich. Allerdings ist heute schwer zu sagen, wo die eigentlichen Risiken liegen. Die oft angeführten Saufbilder auf Social Networks oder die Diskussion über Google Streetview gehen meiner Meinung nach an den wahren Problemen vorbei. Dazu könnte man glatt ein paar eigene Artikel hier im Blog schreiben.