Mit der Wahrnehmung, welche Angebote im Bereich Social Media die größte Bedeutung haben, ist es so eine Sache: Diejenigen, die sich solche Fragen stellen, sind nicht bevölkerungsrepräsentativ. Wer sich beruflich mit Social Media beschäftigt – sei es zwecks Marketing für ein Unternehmen oder für journalistische Zwecke – nimmt die Trends stärker wahr und probiert auch mal etwas Neues aus.
Ob Instagram, Snapchat oder TikTok – wenn neue Plattformen plötzlich einen starken Anstieg der Nutzerzahlen verzeichnen, war stets von einem Ende von Facebook die Rede. Der Haken dabei: Den durchschnittlichen Onliner tangiert das wenig. Es dauert lange, bis er überhaupt weiß, um was es sich bei der jeweils gehypten Plattform handelt.
Der repräsentative Social-Media-Atlas 2020 der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor und des Marktforschers Toluna belegt zwar den weiteren Abstieg von Facebook, aber er zeigt gleichzeitig, dass Facebook in Deutschland immer noch ein großes Stück vor Instagram liegt und die Reichweite von Snapchat oder gar TikTok aktuell nicht groß ist.
Einordnung von WhatsApp
Problematisch an der Auswertung von Faktenkontor ist aus meiner Sicht, wie – salopp gesagt – Äpfel mit Birnen verglichen werden. An der Spitze der Rankings der beliebtesten Sozialen Medien in Deutschland steht nämlich WhatsApp (-2 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr). Sicher, die Grenze zwischen Instant Messaging und Social Networks kann fließend sein. WhatsApp kann etwas mehr als nur Nachrichten zwischen zwei Teilnehmern zu übertragen; inbesondere bei Gruppen lässt sich eine Verbindung zu klassischen Social Networks ziehen.
Aber rechtfertigt dies die Einordnung von WhatsApp zu Social Media? Mit Instagram lassen sich Direktnachrichten verschicken, aber dadurch wird der Dienst ja auch noch nicht zum Messenger! Die große Mehrheit der Deutschen dürfte WhatsApp als das nutzen, wofür es gemacht wurde: zum Verschicken von Nachrichten, ggf. mit Fotos und Videos. WeChat (China), LINE (Japan) und KakaoTalk (Südkorea) spielen vom Funktionsumfang in einer ganz anderen Liga und bei diesen Diensten ist eine Wahrnehmung als bloße Messaging Services nicht angebracht – doch WhatsApp ist in erster Linie genau das: ein Messenger.
Auf Platz 2 im Ranking liegt mit 68 Prozent YouTube. Da die Videoplattform nicht nur die „sozialen Komponenten“ verstärkt hat, sondern auch bei den Betreibern vieler Channels der Community-Gedanke eine große Rolle spielt, ergibt die Einordnung zu Social Media hier viel mehr Sinn. Zumal auch der ursprüngliche Gedanke, dass jeder hier Videos hochladen kann, ohne deshalb zumindest halbprofessioneller Medienproduzent zu werden, den Social-Media-Ansatz stützt. Bei WhatsApp dagegen steht die private bzw. auf einen begrenzten Empfängerkreis ausgerichtete Kommunikation an erster Stelle.
Platz 3 belegt mit 60 Prozent Facebook. Der Abstand zu Instagram mit 40 Prozent ist signifikant. Trotz eines Rückgangs um 9 Prozentpunkte dominiert Facebook. Das Plus von 3 Prozentpunkten bei Instagram ist zudem nicht beindruckend. Eine weitere Annäherung bei den Nutzerzahlen dürfte weniger aus einer Stärke von Instagram, sondern eher aus einer weiteren Schwäche von Facebook heraus erfolgen, ohne allerdings auf absehbare Zeit das Verhältnis umzukehren.
Pinterest: beliebt, aber ohne große öffentliche Wahrnehmung
Interessant ist, dass das in der Öffentlichkeit selten Erwähnung findende Pinterest mit inzwischen 29 Prozent auf Platz 5 liegt und damit vor Internet-Foren (6. Platz, 28 Prozent), Twitter (7. Platz, 23 Prozent), Blogs (8. Platz, 23 Prozent), XING (9. Platz, 20 Prozent), SnapChat (10. Platz, 18 Prozent), LinkedIn (11. Platz, 16 Prozent), TELEGRAM (12. Platz, 13 Prozent), StayFriends (13. Platz, 13 Prozent) und TikTok (14. Platz, 10 Prozent).
Beim Thema Blogs besteht aus meiner Sicher weiterhin das Problem, dass ein sehr großer Teil der Onliner gar nicht wissen wird, dass sie Blogs nutzen. Die Unterscheidung zwischen Blogs und sonstigen Websites dürfte heutzutage außerdem selbst für die Betreiber oft gar keine Rolle spielen. Die Realität sieht bei vielen Usern doch so aus: Sie geben bei Google einen Suchbegriff ein, ohne dass sie wissen, dass sie eine Suchmaschine nutzen. Oder dass sie einen Browser verwenden. Dann klicken sie irgendwo drauf und finden eventuell sogar genau das, was sie gesucht haben. Kaum vorstellbar, dass anschließend glasklar unterscheiden können, ob sie das auf einem Blog oder einer anderen Art von Website gefunden haben.
Welche Social-Media-Angeboten sind für Euch am wichtigsten? Ist WhatsApp Eurer Meinung nach bei Social Media richtig eingeordnet?