Die Corona-Pandemie sorgt für erhöhtes Interesse an Online-Sprechstunden bei Ärzten. Einer aktuellen Bitkom-Umfrage zufolge möchten zwei Drittel der Deutschen ihren Besuch beim Arzt ins Netz verlagern. Innerhalb kurzer Zeit hat sich der Zuspruch für den Arztbesuch via Internet extrem erhöht.
Als der Bitkom im Frühjahr 2019 eine ähnliche Umfrage durchführte, konnten sich lediglich 30 Prozent der Deutschen vorstellen, Arzttermine online wahrzunehmen. Jetzt sind es 66 Prozent. Dabei haben die wenigsten Erfahrung damit: Bei der Befragung im vorigen Jahr hatten erst 5 Prozent einen virtuellen Arzttermin wahrgenommen.
„Während der Corona-Pandemie wird das Gesundheitssystem über seine Grenzen hinaus belastet. Online-Sprechstunden sind besonders jetzt hilfreich, um die medizinische Versorgung zu gewährleisten und gleichzeitig Patienten, Ärzte und Pflegende zu schützen – insbesondere auf dem Land, aber auch in den Städten. Vor allem Ältere und alle Risikogruppen sollten jetzt jedes Risiko einer Ansteckung vermeiden“, stellt Bitkom-Präsident Achim Berg die Vorteile heraus. „Patienten, Ärzte, Pflegende – sie alle können von der Digitalisierung des Gesundheitswesens profitieren. Wir müssen die schon vorhandenen Möglichkeiten jetzt konsequent ausbauen und in die Fläche bringen. Viele Anbieter der Videodienste für Online-Sprechstunden stellen ihre Angebote den Ärzten derzeit kostenfrei zur Verfügung.“
Online-Sprechstunde seit wenigen Jahren möglich
Was viele gar nicht wissen: Bereits seit April 2017 übernehmen Krankenkassen die Kosten einer solchen Sprechstunde übers Internet. Inzwischen können sich Patienten auch dann mittels Videochat „behandeln“ lassen, wenn sie vorher noch nicht persönlich in der Praxis waren – vorausgesetzt, dies ist im jeweiligen Fall ärztlich vertretbar und die ärztliche Sorgfalt kann gewahrt werden.
Der Bitkom verweist darauf, dass die dafür erforderliche technische Ausstattung bei den meisten Patienten vorhanden ist, weil Kamera, Lautsprecher, Mikrofon und Internetverbindung bereits jedes Smartphone und Tablet bieten. Schließlich hat nicht jeder eine Kamera und Mikrofon an seinem Computer – sofern überhaupt ein Computer im Haushalt vorhanden ist. „Konsequent wäre, jetzt auch die ohnehin geplante Einführung des e-Rezepts vorzuziehen und im Sinne einer bestmöglichen Versorgung der Patienten schnell zu realisieren“, plädiert Berg.
Die große Mehrheit der Deutschen sieht bei der Digitalisierung große Chancen sowohl um die Ausbreitung des Coranavirus SARS-CoV-2 zu verhindern als auch in Bezug auf die Heilung von an COVID-19 Erkrankten. 84 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass digitale Technologien dabei helfen können, mehr über das Virus zu erfahren und ein Gegenmittel zu finden, zum Beispiel mittels automatisierter Analyse von Patientendaten. „Digitale Technologien können die zentrale Rolle spielen, um das Coronavirus zu entschlüsseln, die Ausbreitung zu beobachten und die richtigen Maßnahmen gegen die Pandemie zu ergreifen“, so Berg.
Wohin kann das führen?
Obwohl aktuell nicht absehbar ist, wann die Corona-Pandemie so weit unter Kontrolle sein wird, dass allgemein Entwarnung gegeben werden kann und sich das Leben wieder normalisiert, zeichnet eines bereits ab: Die Krise sorgt in verschiedenen Lebensbereichen für eine enorme Beschleunigung der Digitalisierung. Selbst wenn es wieder so sicher wie vor SARS-CoV-2 ist, zur Arbeit zu gehen, wird der Anteil derjenigen, die wenigstens zeitweise von zu Hause aus arbeiten, deutlich höher als vor der Krise sein, denn viele Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber merken derzeit, was alles möglich ist. Homeoffice wird von einer abstrakten Möglichkeit zu einer Erfahrung und damit zu einer nicht mehr bloß theoretischen Alternative.
Beim Thema Arztbesuche kommt ein Faktor hinzu, der bislang leider viel zu wenig beachtet wurde: Es war schon vor dem neuen Coronavirus keine gute Idee, mit völlig ungeklärten Symptomen zusammen mit anderen Kranken im Wartezimmer zu sitzen. So mancher Patient bringt nicht nur Ansteckendes mit, viele sind gesundheitlich angeschlagen und deshalb anfälliger. Und wenn es nur eine harmlose Erkältung ist – dann ist es umso weniger sinnvoll, die Wohnung zu verlassen, um zum Arzt zu fahren.
Spannend wird sein, welche technischen Geräte sich Patienten bzw. jedermann in Zukunft eventuell anschaffen (oder mieten) werden, um die Möglichkeiten von Ferndiagnosen zu erweitern. Da könnte sich ein gewaltiger Markt auftun. Zu Hause zu bleiben, anstatt krank unterwegs zu sein, könnte vielen Patienten Erleichterung verschaffen, allein schon, weil mit Arzt- und Krankenhausbesuchen heutzutage immer noch teils lange Wartezeiten verbunden sind. Nirgends wartet es sich so gut wie zu Hause.