Das deutsche Bildungssystem steht aus unterschiedlichen Gründen schon lange in der Kritik. Nun ist Schule zwar einer dieser Themenbereiche, bei denen es gefühlt 80 Millionen Experten in Deutschland gibt, die wissen, wie man alles besser machen könnte. Die Kritik von Schülern sollte man allerdings ernst nehmen.
Bei einer repräsentativen Bitkom-Umfrage unter Schülern im Alter von 14 bis 19 Jahren im Februar störten sich deutsche Schüler am meisten am fehlenden Einsatz digitaler Medien im Unterricht: 59 Prozent gaben an, dies sei eines der dringlichsten Probleme. Mit 56 Prozent fast ebenso viele kritisierten eine in ihren Augen schlechte technische Ausstattung der Schulen.
Dagegen sahen nur 43 Prozent im Umgang miteinander ein dringliches Problem, 42 Prozent in allgemeinem Unterrichtsausfall und 38 Prozent in überfüllten Klassen. Veraltete Lerninhalte kritisierten 29 Prozent, inkompetente Lehrer 22 Prozent und baufällige Schulgebäude 18 Prozent. Während das Problem baufälliger Schulen unabhängig von der Schulform kritisiert wurde, war das Fehlen digitaler Medien für 69 Prozent der Hauptschüler, 62 Prozent der Schüler an integrierten Schulen, 53 Prozent der Realschüler sowie 57 Prozent der Gymnasiasten ein Problem.
Stärker digitalisierter Schulalltag wäre jetzt hilfreich
„Diese Zahlen müssen uns wachrütteln – insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Schulen zur Eindämmung des Corona-Virus für mehrere Wochen geschlossen sind. Überall dort, wo digitale Medien noch nicht fester Bestandteil des Unterrichts sind, wird es nun besonders schwer sein, die Schüler erfolgreich durch die nächsten Wochen und Monate zu führen“, kritisierte Bitkom-Präsident Achim Berg. „Mithilfe digitaler Technologien kann es jedoch gelingen, den Schulbetrieb auch in einer Ausnahmesituation wie dieser aufrechtzuerhalten. Das machen uns andere europäische Länder gerade vor.“
Der Verband nennt dafür die Einführung einer staatlichen Webschule mit virtuellen Klassenzimmern in Frankreich sowie die Verpflichtung der dänischen Kommunen zum Anbieten von Fernunterricht. In Deutschland würden zwar einzelne Bundesländer Zugänge zu digitalen Unterrichtsplattformen bereitstellen, aber eine einheitliche Vorgehensweise gebe es nicht. „Der deutsche Bildungsföderalismus stellt speziell unter den jetzigen Umständen ein Hindernis in der flächendeckenden und unkomplizierten Bereitstellung digitaler Bildungsinhalte dar“, so Berg.
Verband gibt konkrete Empfehlungen
Als konkrete Hilfe für Lernende und Lehrende stellt der Bitkom eine Liste mit Anwendungen zusammen, mit denen Unterricht digital stattfinden kann. Diese Liste soll fortlaufend ergänzt werden. Zu finden ist sie unter www.bitkom.org/Themen/Bildung-Arbeit/Anwendungen-digitaler-Unterricht.
Was denkt Ihr, sind die Möglichkeiten zur Verwendung digitaler Medien im Unterricht oder die technische Ausstattung der Schulen tatsächlich ein guter Gradmesser dafür, wie gut die Schulen in der aktuellen COVID-19-Pandemie den Unterrichtsausfall vor Ort kompensieren können?
Sicher gibt es eine Korrelation, denn Schulen, die technisch auf der Höhe der Zeit sind und die heutigen Möglichkeiten nutzen, können mit ihrer Erfahrung leichter Ersatz schaffen oder haben eventuell sogar außerdem Online-Plattformen o. ä. in Gebrauch, die nun schon zur Verfügung stehen. Doch die beiden abgefragten Größen sind für sich genommen aus meiner Sicht jetzt kaum relevant: Was nützt eine gute technische Ausstattung in einer Schule, die geschlossen ist? Digitale Medien in einem Unterricht, der jetzt nicht stattfindet, helfen ebenfalls nicht weiter.
Anders sieht es natürlich aus, wenn die Schule jedem Schüler ein Tablet oder Notebook für den Schulalltag zur Verfügung stellt und Anwendungen in einer Cloud genutzt werden, die nun auch von zu Hause für Schüler und Lehrer in gewohnter Form nutzbar sind. Die Fragen aus dem Februar waren jedoch zu allgemein, um insoweit belastbare Daten zu liefern.