Können Roboter den Pflegenotstand beenden? Wie eine aktuelle repräsentative Bitkom-Umfrage zeigt, glauben derzeit viele Menschen in Deutschland noch nicht daran.
Die eigentliche Dramatik beim Thema Pflegenotstand liegt wohl darin, dass die Personalsituation bereits heute so angespannt ist, wo doch aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft immer mehr Pflegebedürftige zu erwarten sind, während die Zahl der Beschäftigten signifikant zurückgehen könnte. Selbst bei besseren Arbeitsbedingungen wird es schwierig werden, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, um alle Pflegebedürftigen gut zu versorgen.
Roboterarme und Exoskelette
Deshalb überrascht es mich, dass sich in der Umfrage nicht mehr Menschen vorstellen konnten, dass Roboter Aufgaben in der Pflege übernehmen bzw. die Fachkräfte dabei unterstützen. Nur 57 Prozent der Umfrageteilnehmer gehen davon aus, dass Pflegekräfte in zehn Jahren durch technische Hilfsmittel wie Roboterarme oder ganze Exoskelette bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten Unterstützung erhalten.
45 Prozent glauben, dass im Jahr 2028 in der Pflege Service-Roboter, die beispielsweise Essen servieren oder auch zubereiten, weit verbreitet sein werden. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen halten dies 55 Prozent für wahrscheinlich, bei den Befragten ab 65 Jahren nur 39 Prozent.
Noch skeptischer waren die Befragten bei „Kuschel-Robotern“, die Emotionen zeigen bzw. wohl eher dies simulieren und sich mit den Pflegebedürftigen unterhalten. Mit 28 Prozent geht weniger als jeder dritte Befragte davon aus, dass „Kuschel-Roboter“ in zehn Jahren hierzulande eine weite Verbreitung gefunden haben werden.
„Roboter sollen die Fachkräfte in der Pflege bei körperlich besonders anstrengenden Tätigkeiten und Routinearbeiten unterstützen“, sagt Bitkom-Expertin Julia Hagen. „Sie sind künftig eine hilfreiche Ergänzung im Arbeitsalltag des Pflegepersonals und können so für eine angemessene Pflegequalität in Zeiten von Fachkräftemangel sorgen. Wir können uns nicht länger leisten, auf digitale Hilfe in der Pflege zu verzichten.“
Miteinander von Mensch und Maschine
Ich denke, dass gerade Roboterarme und Exoskelette verdeutlichen, dass die Zukunft der Arbeit in einem Miteinander von Mensch und Maschine liegt. Sicher gibt es auch im Pflegebereich eine Reihe von Arbeiten, die mehr oder weniger vollständig von Maschinen übernommen werden können. Soweit es um die Pflege von Menschen geht, muss die menschliche Komponente der Arbeit einen hohen Stellenwert haben. Sie muss als Teil des Produkts bzw. Teil der Dienstleistung betrachtet werden.
So wie der DJ auf einer Party nicht einfach nur für die richtige Musikmischung sorgt und der Kellner in einem Restaurant nicht nur Bestellungen aufnimmt und Essen und Getränke an den Tisch liefert, gibt es in der Pflege wichtige Aspekte, die über die Erreichung eines bestimmten Endzustands hinausgehen. Vielleicht sollten wir hierfür ein Wort wie „Pflegeerlebnis“ einführen. Selbst in einem Fastfood-Lokal geht es um so viel mehr als nur die schnelle Sättigung der Kunden. Wie Pflegedienstleistungen ausgestaltet werden, hat enormen Einfluss auf die Lebensqualität so vieler Menschen. Entsprechend hoch sollten wir die Maßstäbe ansetzen.
Die Arbeit von Pflegekräften ist mitunter körperlich sehr belastend, weshalb eine Entlastung durch technische Lösungen wesentlich dazu beitragen kann, dass Pflegekräfte selbst bei Kräften bleiben und ihren Beruf lange Zeit ausüben können und dass dieses Berufsfeld wieder attraktiver wird. Zudem bleibt mehr Zeit für die pflegebedürftigen Menschen, wenn das Personal nicht nur besonders anstrengende, sondern auch Routineaufgaben an Maschinen abgeben kann.