Bauen Hersteller absichtlich Schwachstellen in ihre Elektro- und Elektronikprodukte ein, um mehr Neugeräte verkaufen zu können? Dafür fand das Umweltbundesamt in einer aktuellen Studie keine Beweise. Deutlich wurde dagegen: Die Erst-Nutzungsdauer sinkt, deutlich früher als in vergangenen Zeiten kaufen Verbraucher neue technische Geräte wie Fernseher.
Neu gekaufte Technik wird in deutschen Haushalten immer früher durch noch neuere ersetzt. Zwischenergebnisse einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) belegen eine kürzere Erst-Nutzungsdauer. Allerdings ist dieser Trend nicht bei allen Produktgruppen gleich stark ausgeprägt. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger: „Beim Gebrauch von Elektro- und Elektronikgeräten ergibt sich ein sehr differenziertes Bild. Dass neue Geräte kürzer verwendet werden, hat unterschiedlichste Ursachen. Inwieweit ein geplanter Verschleiß dafür verantwortlich ist, klären wir jetzt in der zweiten Hälfte der Studie.“
Neukauf, obwohl das Altgerät weiterhin funktioniert
Aus Umweltschutzsicht ist das grundsätzlich problematisch, doch das UBA sieht keine einfache Lösung, es brauche ein breites Spektrum an Maßnahmen, die sowohl Hersteller aus auch Verbraucher adressieren. Rainer Grießhammer, Mitglied der Geschäftsführung vom Öko-Institut: „Heute werden mehr Elektro- und Elektronikgeräte ersetzt, obwohl sie noch gut funktionieren. Häufig sind Technologiesprünge wie bei Fernsehgeräten, ein Auslöser. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass der Anteil der Haushaltsgroßgeräte, die nicht mal fünf Jahre durchhalten und aufgrund eines Defekts ausgetauscht werden müssen, angestiegen ist.“
Handelt es sich dabei um geplante Obsoleszenz, bringen die Hersteller also absichtlich schlechtere Geräte in den Handel bzw. bauen sie gezielt Schwachstellen ein, damit die Konsumenten gezwungen sind, bald Ersatz zu beschaffen? Viele Verbraucher glauben an ein solches, planvolles Vorgehen, wenngleich sich bislang keine Beweise für eine großangelegte punktuelle Produktverschlechterung finden ließen. Erst vor wenigen Wochen berichtete übrigens das Medienmagazin ZAPP über den „medialen Expertenhype“ zu diesen Thema.
Bisher lässt sich auch aus den Ergebnissen der UBA-Studie nicht schließen, dass Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte künstlich verkürzen würden, aber in einem zweiten Teil der Untersuchung soll nun eine „systematische Analyse für die Ursachen der Geräteausfälle und -defekte“ erfolgen. Untersucht werden neben Geräten aus der Unterhaltungselektronik solche aus dem ITK-Bereich sowie Haushaltsgroß- und -kleingeräte.
Gute Gründe für neue TV-Geräte
Auffällig ist, wie früh die Konsumenten inzwischen einen neuen Fernseher anschaffen. Allerdings tauschte im Jahr 2012 nur jeder vierte sein Altgerät aufgrund eines Defekts aus. Mehr als 60 Prozent der TV-Käufer besaßen einen funktionierenden Flachbildfernseher, aber sie wollten ein besseres Gerät haben. Im Durchschnitt war das ersetzte Gerät erst 5,6 Jahre alt. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 lag die Erst-Nutzungsdauer von Röhrenfernsehern im Schnitt bei 12 Jahren.
Das Beispiel Fernseher verdeutlicht, dass man sich beim Thema Obsoleszenz vor einfachen Erklärungsmustern hüten muss. Der Übergang vom analogen zum digitalen Fernsehen, die Einführung von HDTV und das Thema Smart TV lieferten gute Gründe für den Neukauf eines Flat-TVs. Mit Ultra High Definition hat die Branche inzwischen ein neues Verkaufsargument. Also mal ehrlich: Wie könnte man jemandem die Weiternutzung eines 5,6 Jahre alten Fernseher als Hauptgerät im Wohnzimmer schmackhaft machen?
Was ist mit der Energieeffizienz?
Selbstverständlich kann der Ressourcenverbrauch in vielerlei Hinsicht zum Problem werden, doch sollte dabei weder das Thema Recyling noch das Thema Energieeffizienz außer Betracht bleiben. Bei vielen alten Flat-TVs handelt es sich um Plasma-Fernseher mit einem enormen Strombedarf. Fernseher sind, nicht zuletzt durch EU-Vorgaben, heute sehr viel sparsamer im Verbrauch. Gerade bei Fernsehern gilt außerdem: Es ist alles andere als die große Ausnahme, dass der alte Fernseher aus dem Wohnzimmer anschließend in Küche, Schlaf- oder Kinderzimmer weitergenutzt wird. Die Erst-Nutzungsdauer sagt insoweit wenig über die Gesamtnutzungsdauer. Bei manchen anderen Geräten wie Smartphones und Tablets gilt das in ähnlicher Weise.
Bei Waschmaschinen, Trocknern, Kühlgefrierkombis und anderen Haushaltsgroßgeräten zeigt die UBA-Untersuchung eine um ein Jahr auf 13,0 Jahre verkürzte Erst-Nutzungsdauer, zwei von drei Geräten wurden aufgrund eines Defekts ersetzt. Jedes dritte funktionierte noch. „Der Anteil der Geräte, die aufgrund eines Defektes schon innerhalb von fünf Jahren ersetzt werden mussten, ist zwischen 2004 und 2012 von 3,5 Prozent auf 8,3 Prozent auffallend stark gestiegen“, schreibt das UBA.
Weiße Ware
Hier wird es in der Tat interessant sein, etwas über die Ursachen der Defekte zu erfahren. Bei weißer Ware, bei der Verschleiß ein wichtiges Thema ist, sollten wir nicht vergessen: Wenn der Wettbewerb stark über den Preis läuft, ist es kein Wunder, wenn Geräte weniger lange durchhalten. Hier ist ggf. ein Umdenken auf Verbraucherseite gefragt. Das gilt auch für die Frage, ob man ein defektes Gerät reparieren lässt oder das technische Problem zum Anlass für einen Neukauf nimmt. Es ist ja noch nicht gesagt, dass heutzutage häufiger Defekte auftreten als zu früheren Zeiten.
Möglicherweise verhalten sich die Konsumenten sogar vernünftig, wenn sie einen Neukauf vorziehen. In den letzten Jahren wurde die Energieeffizienz weißer Ware enorm verbessert. Der Wasserbedarf ist übrigens ebenfalls stark gesunken. Ob man im Sinne der Umwelt handelt, wenn man eine zehn Jahre alte Waschmaschine reparieren zu lässt, anstatt sie dem Recycling zu zuführen?
Für mich keine Überraschung ist die nahezu unveränderte Erst-Nutzungsdauer von fünf bis sechs Jahren bei Notebooks. Hier gab es weniger Innovationen als etwa bei Fernsehern oder Smartphones. Dazu passt, wenn das UBA schreibt: „Wurden 2004 noch 70 Prozent der funktionsfähigen Geräte wegen einer technischen Neuheit und dem Wunsch nach einem besseren Gerät ausgetauscht, war dies 2012/2013 nur noch bei rund einem Viertel der Fälle so. Bei einem weiteren Viertel waren 2012 technische Defekte entscheidend für den Neukauf.“
Mindestlebensdauer steigern
Ende 2015 soll die Gesamtstudie abgeschlossen sein, dann sollen Empfehlungen für Produzenten, Konsumenten und Legislative abgeleitet werden. „Wir haben heute schon Möglichkeiten, die Mindestlebensdauer von Geräten abzusichern und die Informationen für Verbraucher zu verbessern, zum Beispiel unter der Ökodesign-Richtlinie oder in den Vorgaben für Produkte mit dem Umweltzeichen ‚Blauer Engel‘. Aufgabe der Studie ist nun zu prüfen, wie die Mindestlebensdauer ausgeweitet und am Ende auch überprüft werden kann“, schlussfolgert Maria Krautzberger.
Was meint Ihr, wird sich die Nutzungsdauer technischer Geräte in Zukunft wieder signifikant erhöhen? Ich denke ja, denn in immer mehr Bereichen wird Kauf durch Besitz bzw. Nutzungsmöglichkeit abgelöst werden. Dann wirken die Marktkräfte wieder stärker in Richtung lange Haltbarkeit bzw. Robustheit, weil die Käufer – Unternehmen, die Privatnutzern ihre Komplettlösungen anbieten – großen Wert darauf legen.
Gemeinschaftliche Nutzung ermöglicht generell eine Ressourcenschonung. Sichtbar wird das heute bereits bei der Idee von Mobilität als Service, bei dem Autos nicht mehr die meiste Zeit ungenutzt herumstehen, sondern flexibel dort eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden. Ich bin gespannt, in welchen Branchen sich sich das in den nächsten Jahren durchsetzt.