Der stationäre Handel sollte nicht darauf setzen, dass ihm die ältere Kundschaft treu bleibt. Wie eine Studie zeigt, kaufen Onliner ab 55 Jahren fast so oft im Internet ein wie jüngere.
Unter den Menschen ab 55 Jahren gibt es in Deutschland deutlich mehr Offliner als in der restlichen Bevölkerung, aber wer von ihnen das Internet nutzt, kauft dort fast so häufig ein wie jüngere Onliner. Zwei Drittel von ihnen bestellen mindestens einmal im Monat.
Mehrheit bestellt jeden Monat online
Das geht aus einer Sonderauswertung der Studie „Total Retail – Wie der Multi-Channel-Konsum das Geschäftsmodell des Handels von morgen verändert“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervor. „Über alle Produktkategorien hinweg bestellen 66 Prozent der ‚Silver Surfer‘ mindestens monatlich im Internet“, nennt PwC in der Pressemitteilung ein weiteres Detail. Damit erreichen sie noch nicht ganz den Wert der jüngeren, von denen 82 Prozent mindestens einmal im Monat online bestellen. Deutlich zurück liegen die Internetnutzer ab 55 Jahren beim Kaufen via Smartphone und Tablet.
Betrachtet man nicht allein die Käufe im Netz, sondern zusätzlich die Recherche im Vorfeld, wird das Internet von 73 Prozent der mindestens 55-jährigen Onliner beim Kauf von Büchern, Musik, Filmen und Videospielen genutzt. Bei Unterhaltungselektronik und Computern liegt dieser Wert bei 58 Prozent und bei Spielwaren bei 44 Prozent. „Die Produktrecherche im Ladengeschäft mit anschließendem Kauf bevorzugt die Generation 55plus aber weiterhin vor allem bei Lebensmitteln (82 Prozent), Heimwerkerbedarf (66 Prozent), Möbeln und Haushaltswaren (57 Prozent) sowie Gesundheits- und Kosmetikprodukten (54 Prozent)“, informiert PwC. Insbesondere bei Lebensmitteln sind allerdings alle Altersgruppen noch auf den Offline-Kauf fixiert.
„Die Generation 55plus hat das ‚Home-Shopping‘ via Internet für sich entdeckt. Die Vorteile, die der Online-Einkauf insbesondere für die zahlungskräftige ältere Generation bietet, wiegen offenbar schwerer als die traditionellen Stärken des stationären Handels. Der Handel sollte also mit Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland weiter in seinen Onlinevertrieb, aber auch in kanalübergreifende Einkaufsmöglichkeiten investieren“, rät Gerd Bovensiepen, Leiter des Geschäftsbereichs Handel und Konsumgüter in Deutschland und Europa.
Es ist so bequem
Ein wesentliches Motiv (65 Prozent) für den Onlinekauf ist, die Einkäufe zu Hause erledigen zu können. Beim Einkauf im stationären Handel schätzen die Internetuser ab 55 Jahren hingegen besonders das Ansehen, Anfassen und Ausprobieren (63 Prozent). Besser beraten fühlt sich hingegen im Ladengeschäft kaum mehr als jeder fünfte (22 Prozent). Immerhin kaufen 21 Prozent gezielt in stationären Geschäften ein, um diese zu unterstützen.
Wenn es um die Zahlungsarten beim Internetkauf geht, ergibt sich zwar kein völlig anderes Bild als bei den jüngeren Onlinern, aber ein wenig konservativer sind die User ab 55 Jahren doch. So nutzen 95 Prozent der älteren, aber nur 86 Prozent der 18- bis 24-jährigen User Rechnungskauf und lediglich 4 Prozent der älteren bezahlen per Smartphone, wohingegen es bei den jüngeren 23 Prozent sind. Bei anderen Zahlungsoptionen sind die Unterschiede dagegen recht gering. Smartphones sind in den höheren Altersgruppen zwar weniger weit verbreitet als bei den jüngeren, doch 80 Prozent der Smartphone-Besitzer ab 55 Jahren nutzen im mobilen Internet die Möglichkeit zum Online-Preisvergleich und informieren sich über Produktalternativen.
Die Zeit drängt
Ich schließe aus diesen Daten, dass stationäre Händler sich keine Zeit dabei lassen dürfen, Antworten auf die Konkurrenz aus dem Internet zu finden. Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, dass ihnen wenigstens die älteren Kunden erhalten bleiben. Zu denken geben sollte, dass direkte Beratung vor Ort kein starkes Argument für den Offline-Kauf zu sein scheint.
Ich glaube zwar, dass online grundsätzlich eine gleichwertige Beratung angeboten werden kann, doch die entsprechenden Möglichkeiten werden nicht gut genutzt. In der nahen Zukunft könnten die stationären Anbieter ihre Vorteile bei der persönlichen Beratung von Mensch zu Mensch ausspielen.
Wozu noch Ladengeschäfte?
Auf lange Sicht – davon bin ich überzeugt – müssen sich Ladengeschäfte komplett wandeln, um weiter existieren zu können. Sei es durch eine konsequente Ausrichtung auf Showrooming mit Ausprobieren oder beispielsweise durch eine Verbindung mit gastronomischen Angeboten. Wenn – unter anderem durch technische Fortschritte und stärkere Automatisierung in der Logistik – die Kosten für den Versand sinken und die Lieferung am selben Tag (es müssen ja nicht gleich Drohnen sein, die innerhalb von 30 Minuten ab Bestellung die Waren abliefern) zum Standard wird, braucht es schon gute Gründe, warum man zum Einkaufen die Wohnung verlassen sollte.
Welche fallen Euch ein? Ich nutzte jetzt erst mal das sonnige Wetter, um auf dem Balkon via Tablet ein paar Einkäufe zu erledigen.