Die meisten Internetnutzer in Deutschland wollen ihre Vorgesetzten nicht als „Freunde“ in Social Networks, hat eine aktuelle Umfrage ergeben. Das halte ich für einen dicken Fehler.
Privatsphäre und Datenschutz haben in Deutschland einen hohen Stellenwert. Das ist gut und mag zum Teil erklären, weshalb die meisten User Freundschaftsanfragen ihrer Vorgesetzten in Sozialen Netzwerken ablehnend gegenüberstehen. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im Auftrag des BITKOM wissen wollen, ob die Arbeitnehmer in Deutschland solche Anfragen annehmen oder ablehnen würden.
Ablehnung herrscht vor
56 Prozent der berufstätigen Mitglieder einer Online-Community würden sie ablehnen, wobei sich 36 Prozent diesbezüglich völlig sicher sind und 20 Prozent sie eher nicht annehmen würden. Auf der anderen Seite gibt es 19 Prozent, die eine solche Anfrage mit Sicherheit positiv beantworten würden, weitere 19 Prozent würden sie nur vermutlich annehmen. Selbst schon einmal eine Freundschaftsanfrage an ihren Chef geschickt haben übrigens erst 2 Prozent der Befragten.
„Ob man den Chef in seine Freundesliste aufnehmen sollte, lässt sich nicht generell mit ja oder nein beantworten. Es sind immer die individuellen Gegebenheiten zu beachten“, sagte Tobias Arns, Social Media Experte des BITKOM. „Wer mit seinem Chef per Du ist und regelmäßig auf ein Bier geht, wird ihn bei Facebook schwerlich als Freund ablehnen können. Bevor man Freundschaftsanfragen seines Chefs annimmt, sollte man sich aber auf jeden Fall genau überlegen, welche Profildetails oder Einträge er sehen darf.“
Zwischen den Geschlechtern und verschiedenen Altersgruppen traten Unterschiede in der Einstellung zutage: Männer sind eher bereit, die Online-Kontaktanfragen ihrer Vorgesetzten zu akzeptieren. Nur jeder zweite lehnt das ab. Bei den Frauen sind es 63 Prozent. Unter den 30- bis 49-jährigen Arbeitnehmern, die in einem Sozialen Netzwerk Mitglied sind, würden bloß 30 Prozent eine Kontaktanfrage ablehnen. bei den jüngeren und älteren Nutzern lehnen es 60 Prozent ab, den Chef zum Online-Freund zu haben.
Chefs dürfen keinen Druck ausüben
BITKOM-Experte Arns empfiehlt Vorgesetzten, Fingerspitzengefühl walten zu lassen: „Arbeitgeber haben die Privatsphäre ihrer Mitarbeiter zu respektieren, auch in der Online-Welt. Die meisten Mitarbeiter empfinden Freundschaftsanfragen ihrer Vorgesetzten offenkundig eher als Nötigung, weniger als besondere Auszeichnung. Das sollte sich jeder Vorgesetzte bewusst machen, bevor er eine Freundschaftsanfrage stellt.“
Klar, drängen sollten Vorgesetzte ihre Angestellten dazu nicht. Aber Arbeitnehmer sollten die Chancen sehen! Inzwischen verfügen die großen Social Networks über Privatsphäre-Einstellungen, mit denen sich festlegen lässt, welche Daten und Inhalte der Chef zu sehen bekommt. Gegen ein Ausspähen durch Vorgesetzte kann man also leicht etwas tun. Dafür muss man sich mit den Privatsphäre-Einstellungen erst einmal auskennen, doch das ist sowieso Pflicht, wenn man etwas veröffentlicht, was nicht jeder sehen darf.
Den Worst Case einkalkulieren
Durch Technik-Pannen oder Unachtsamkeit kann es trotzdem dazu kommen, dass man über Soziale Netzwerke mehr von sich preisgibt, als man eigentlich wollte. Wenn es ganz schlecht läuft, kann es jeder sehen, ob er nun Mitglied in der betreffenden Community ist oder nicht. Zudem besteht immer die Gefahr, dass der eigene Account gehackt oder die Zugangsdaten gestohlen werden und man so die Kontrolle über seine Daten bzw. Inhalte verliert. Außerdem gilt: Was andere Kontakte sehen können, das kann von diesen weiterverbreitet werden.
Mein Rat lautet daher, sich generell bei Social Media generell zurückzuhalten und nur ins Netz zu stellen, was zur Not absolut jeder sehen dürfte. Den Chef bei Facebook oder in einer anderen Community als Freund hinzuzufügen, kann einem hierbei als ständige Erinnerung dienen, es nicht zu übertreiben. Insofern sollte man seine Vorgesetzten in den Einstellungen zur Privatsphäre nicht von zu vielen Arten von Informationen ausschließen. Andererseits sind diese Einstellungen eine Möglichkeit, in einer Weise den Fluss der eigenen Informationen zu filtern, dass die eigenen Kontakte nicht zu viele für sie uninteressante Informationen erhalten.
Chef-Connection als Chance
Jetzt schreibe ich schon wieder so viel über die Gefahren durch die bösen Sozialen Netzwerke, sollte es nicht noch um Chancen gehen? Wenn der Chef mitliest, ist das eine super Möglichkeit, sich selbst in ein positives Licht zu rücken. Damit möchte ich nicht zum Sammeln von Schleimpunkten auffordern. Dem Vorgesetzten die eigenen Stärken zu verkaufen, ist sinnvoll, nicht zuletzt für den Vorgesetzten, der hierdurch die Chance erhält, mehr über diese Stärken des Arbeitnehmers zu erfahren. Beide Seiten profitieren davon. Mit der Imagepflege in eigener Sache sollte man es nicht übertreiben, nicht nur weil das unangenehm wirken kann. Ein guter Chef durchschaut es, wenn sein Gegenüber die Mehr-Schein-als-Sein-Karte spielt.
Zu den Chancen zählt zudem, von den Kontakten des Chefs profitieren zu können bzw. auf deren Radar zu erscheinen. Es gehört zum Wesen der Social Networks, mit den Freunden von Freunden in Kontakt zu kommen. Im persönlichen Netzwerk der Vorgesetzten finden sich bestimmt Menschen, die einem auf dem weiteren Berufsweg bzw. in der aktuellen beruflichen Situation eine Hilfe sein können.
Wie haltet Ihr es in Sozialen Netzwerken bei Online-Freundschaften mit Vorgesetzten?