Deutschland ist nicht so „digital“, wie man von der Blogosphäre aus betrachtet, glauben könnte. Mit digitalen Medien souverän umgehen kann hierzulande nicht viel mehr als jeder Dritte. Derzeit stagniert die Entwicklung, sagt eine aktuelle Studie.
Diese Woche wurde von der Initiative D21 die dritte Ausgabe der Studie „Die digitale Gesellschaft in Deutschland – Sechs Nutzertypen im Vergleich“ vorgestellt. TNS Infratest hatte dafür 1.000 Telefoninterviews durchgeführt. Vertrauen in die digitalen Medien und ein souveräner Umgang damit kann noch längst nicht der Mehrheit in Deutschland bescheinigt werden. Gerade einmal 38 Prozent der Bevölkerung werden in der Studie als „Digital Souveräne“ eingestuft. Das sind nur 1 Prozent mehr als letztes Jahr.
Sechs Nutzertypen, zwei große Gruppen
„Vor dem Hintergrund der Diskussionen um Datenschutz, Identitätsdiebstahl und Internetbetrug scheinen die Deutschen ihr distanziertes Verhältnis zu den digitalen Medien weiterhin zu wahren“, erklärt der Pressetext die Stagnation. In der Zuordnung zu den sechs identifizierten Nutzergruppen zeigten sich kaum Veränderungen. Zu den den „Digitalen Außenseitern“ gehören nun noch 26 Prozent (-2 Prozent) der Bevölkerung, zu den „Trendnutzern“ jetzt 21 Prozent (+1 Prozent). Keine prozentualen Veränderungen waren bei „Gelegenheitsnutzern“ (28 Prozent), „Berufsnutzern“ (7 Prozent), „Digitalen Profis“ (12 Prozent) und „Digitaler Avantgarde“ (5 Prozent) festzustellen.
Diese sechs Nutzertypen werden in der Untersuchung in zwei große Gruppen eingeteilt: „Digitale Außenseiter“, „Gelegenheitsnutzer“ und „Berufsnutzer“ – zusammen 62 Prozent der Gesellschaft – werden zu den „Digital wenig Erreichten“ zusammengefasst. Den restlichen 38 Prozent der „Digital Souveränen“ gehören die „Trendnutzer“, die „Digitalen Profis“ sowie die „Digitale Avantgarde“ an.
„Sehr positiv ist, dass in den letzten Jahren der Anteil der Onliner an der Bevölkerung von zwei Drittel auf drei Viertel gestiegen ist. Gleichwohl bleibt es wichtig, dass wir allen Mitgliedern unserer Gesellschaft die Vorteile des digitalen Zeitalters noch deutlicher als bisher nahe bringen“, so Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Otto weiter: „Das erreichen wir nur, wenn wir das Vertrauen in die digitalen Medien erhöhen, die ersten Schritte in die digitale Welt erleichtern und die digitale Kompetenz bei denen steigern, die bisher nur rudimentär die digitalen Medien nutzen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat in den letzten Jahren zahlreiche Projekte gefördert, um die digitale Integration zu stärken.“
Mobile Netznutzung als Einstieg für Digitale Außenseiter?
Als Lichtblick wird die wachsende mobile Internetnutzung angesehen. Im letzten Jahr war das größtenteils nur ein Thema für die „Digitale Avantgarde“, doch nun sind sogar 3 Prozent der „Digitalen Außenseiter“ mobil im Netz. Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21 dazu: „Die mobile Technologie wird das Leben und Arbeiten in den kommenden Jahren nochmals revolutionieren und einen ganz entscheidenden Anteil an der Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland haben. In Zukunft wird der Technologiezugang noch einfacher werden und somit die Eintrittsschwelle in die digitale Welt weiter sinken. Herausforderung bleibt, dass wir hier gerade das Bildungssystem fit machen müssen, damit die digitalen Medien als Kreativ- und Informationswerkzeug für die gesamte Gesellschaft selbstverständlich werden.“
Unterschiede im Freizeitverhalten
Dieses Mal wurde im Rahmen der Studie zum ersten Mal das Freizeitverhalten der Bevölkerung abgefragt. Vergleicht man das Freizeitverhalten von „Digital Souveränen“ und „Digital wenig Erreichten“ miteinander, zeigen sich einerseits deutliche Unterschiede. Andererseits sind die „Digital Souveränen“ weit davon entfernt, nur vor dem Bildschirm zu sitzen. Sie nutzen das Internet zwar auch in der Freizeit viel stärker, aber sie treiben trotzdem mehr Sport, spielen häufiger ein Musikinstrument und gehen häufiger aus als die „Digital wenig Erreichten“, die dafür etwas mehr Zeit mit Fernsehen, Lesen und Spazierengehen verbringen. Dabei gilt es zwar das unterschiedliche Durchschnittsalter (36,9 Jahre bei den „Digital Souveränen“ und 53,6 Jahren bei den „Digital wenig Erreichten“) im Blick zu haben. Die jüngeren der „Digital wenig Erreichten“ sind allerdings auch weniger sportlich aktiv und musizieren weniger als ihre „Digital Souveränen“ Altersgenossen.
Wer mehr wissen möchte, lädt sich auf www.digitale-gesellschaft.info ein ausführliches PDF zur Studie herunter. Neben einem Blick auf die Grafiken, die jedoch unter einer ungeschickten Farbwahl leiden, lohnt sich vor allem der genauere Blick auf die einzelnen Nutzertypen. Schon beim Überfliegen des Dokuments wird deutlich, dass für diese Studie zahlreiche Faktoren ausgewertet wurden, die eine differenzierte Betrachtung erlauben.
Was meint Ihr, woran es liegt, dass noch so viele Menschen „im Digitalen“ nicht zu Hause sind? Oder sollten wir eher überrascht sein, wie schnell digitale Medien das Leben in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten verändert haben?