Jeder zweite Personalverantwortliche in Deutschland informiert sich online über Bewerber. Am besten sucht man schon rechtzeitig selbst, was im Internet über einen zu finden ist, um darauf reagieren zu können.
Im Auftrag des BITKOM hat das Meinungsforschungsinstitut Aris bundesweit 1.500 Geschäftsführer und Personalverantwortliche von Unternehmen unterschiedlicher Branchen befragt. 52 Prozent recherchieren Informationen im Netz, damit liegt der Wert drei Prozentpunkte höher als voriges Jahr.
„Viele Arbeitgeber machen sich im Internet ein Bild über ihre potenziellen Mitarbeiter“, kommentierte BITKOM-Präsident Prof. Dieter Kempf die Daten aus der repräsentativen Befragung. „Jeder Bewerber sollte wissen, was über ihn im Internet steht und darauf achten, was er selbst oder andere über ihn im Web verbreiten.“ Suchmaschinen stellen dabei das bevorzugte Rechercheinstrument dar, 49 Prozent der Firmen nutzen sie, um an Informationen über Bewerber zu gelangen.
Rechtslage könnte sich ändern – ohne dass sich damit was ändert
Mit 21 Prozent kaum mehr als jeder fünfte Befragte gab an, in Sozialen Netzwerken mit beruflichem Schwerpunkt wie XING und LinkedIn zu suchen. 19 Prozent sehen sich auch in mehr zur privaten Kontaktpflege genutzten Social Networks wie Facebook und studiVZ um. „Rechtlich ist es weiterhin zulässig, im Internet nach Bewerbern zu suchen“, informiert der BITKOM im Pressetext. „Ein Gesetz der Bundesregierung zum Mitarbeiterdatenschutz, das auch diesen Punkt regeln sollte, befindet sich bereits seit längerer Zeit in parlamentarischen Beratungen.“ Erlaubt sein soll künftig bloß noch die Recherche in Suchmaschinen und Social Networks mit beruflichem Schwerpunkt. „Wie die Internet-Recherchen der Personalabteilungen in der Praxis überprüft werden sollen, ist aber unklar“, gab Kempf zu bedenken.
Was zunächst vernünftig klingen mag, dürfte in der Praxis überhaupt nicht umsetzbar sein, das Problem sind ja nicht nur die fehlenden Kontrollmöglichkeiten. Eine solche Trennung von privater und beruflicher Welt besteht im Netz einfach nicht, hinzu kommt die vielfältige Vernetzung, die zum Teil von den Betroffenen gewollt ist. Soziale Netzwerke werden zudem für Unternehmen bei der Personalsuche immer wichtiger, was die die beiden Welten noch stärker zusammenführt.
Der BITKOM warnt Jobsuchende davor, dass die Personaler im Netz auf Widersprüche im Lebenslauf des Kandidaten stoßen und „unvorteilhafte Fotos oder schädliche Äußerungen“ zu Gesicht bekommen können. Diese Informationen müssen dabei nicht vom Betreffenden selbst online gestellt worden sein, das können andere ohne Wissen oder zumindest ohne Zustimmung des Betroffenen getan haben.
5 Tipps für Bewerber
Der Verband rät Jobsuchenden, sich selbst einen Überblick über die auffindbaren Informationen zu verschaffen, bestimmte Informationen gar nicht erst zu veröffentlichen bzw. löschen zu lassen sowie aktiv etwas für den eigenen Ruf zu tun:
- Sich selbst suchen: Wer seinen Namen in Suchmaschinen eingibt, bekommt schnell einen Überblick, was über ihn im Web zu finden ist. Neben Google, Bing und Yahoo gibt es dafür spezielle Personensuchmaschinen wie Yasni oder 123People.
- Eigene Präsenz aufbauen: Profile in Online-Netzwerken oder eine eigene Website erscheinen in den Ergebnislisten der Suchmaschinen in der Regel oben und bestimmen damit die Außenwirkung. Für das Anlegen eines persönlichen Profils eignen sich berufliche Online- Netzwerke wie Xing und LinkedIn sowie Jobportale wie Stepstone oder Monster.
- Meinungen kontrolliert äußern: Wer sich im Internet in Blogs oder Foren mit kompetenten Beiträgen äußert, wird positiv wahrgenommen. Beleidigende Äußerungen sind dagegen Tabu. Wer sich privat zu Hobbys oder auch Krankheiten austauschen will, muss nicht seinen echten Namen nennen. Ein beliebiger Benutzername (Nickname) ist in der Netzgemeinde weithin akzeptiert.
- Unvorteilhafte Fotos entfernen: Jeder Mensch hat ein Recht am eigenen Bild. Veröffentlichen Privatpersonen oder Betreiber von Webseiten unvorteilhafte Fotos, kann man die Entfernung aus dem Internet verlangen.
- Im Fall der Fälle: Sollten sich falsche oder unvorteilhafte Inhalte über die eigene Person im Internet häufen, kann professionelle Hilfe sinnvoll sein. Einige Agenturen haben sich darauf spezialisiert, gegen Bezahlung unerwünschte Inhalte aus dem Internet zu entfernen und beim Aufbau der individuellen Online-Reputation zu helfen.
Aufwachen! Das sollte jeder tun!
Grundsätzlich stimme ich zu – das alles sollte man tun, aber nicht erst, wenn man vor hat, sich einen neuen Job zu suchen. Das ist für jeden wichtig, nicht nur, weil man später vielleicht wieder auf Jobsuche ist. Was allgemein unterschätzt wird, sind die anderen Lebensbereiche, beispielsweise die Partnersuche. Selbst wenn sich durch Gesetze ein wirksamer Schutz für Arbeitnehmer erreichen ließe, würde das nicht davor schützen, vor dem ersten Date gründlich im Netz überprüft zu werden. In sämtlichen Lebensbereichen müssen wir damit rechnen, dass andere sich über uns informieren. Das reicht von der Bewerbung um ein WG-Zimmer bis hin zu vernetzten, automatisierten Überwachungssystemen, wie sie etwa das umstrittene EU-Forschungsprojekt Indect ermöglichen könnte.
Einerseits wundere ich mich zwar, wie wenig die Gefahren durch das Sammeln, Verknüpfen und Auswerten von Daten in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Es wird meist nur an der Oberfläche gekratzt (Oh, wie peinlich, ein Party-Bild!). Andererseits vermisse ich die Faszination für die Chancen.
Überwachung für alle?
Das Internet wird als Quelle des Wissens gefeiert – zu Recht! Aber sind jederzeit allgemein zugängliche Informationen über unsere Mitmenschen nicht vielleicht weit bedeutsamer für den gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt als die Art von Wissen, die man bei Wikipedia recherchieren kann?
Heute haben wir Suchmaschinen und Soziale Netzwerke, um uns über andere Menschen zu informieren. Morgen stehen die Möglichkeiten, vor denen beim Thema moderner Überwachungsstaat gewarnt wird, vielleicht uns allen zur Verfügung, und wir können uns gar nicht mehr vorstellen, wie sehr uns einmal das Bedürfnis nach Privatsphäre im Weg stand. Ich wäre von einer solchen Entwicklung der „Demokratisierung der Überwachungsmöglichkeiten“ nicht überrascht.
Erst einmal vorsichtig sein
Für heute gilt allerdings: Jeder sollte sich gut überlegen, was er von sich preisgibt. Jedes noch so kleine Puzzleteil zählt, es gibt keine irrelevanten Informationen über eine Person. Das spricht für mich nicht gegen die Veröffentlichung privater Details im Internet, denn die positiven Auswirkungen können sehr groß sein. Die erhofften positiven Wirkungen sollten mit möglichen Nebenwirkungen für die Zukunft (den Rest unseres Lebens) abgewogen werden, wenngleich wir leider nur ansatzweise erkennen können, was wir da möglicherweise anrichten.
Seht Ihr die über Euch im Internet verfügbaren Informationen eher als Nachteil oder Vorteil für Euer Berufsleben?