Hybrid-Fernsehen bietet für die Unternehmen vieler Branchen Chancen, verschärft aber gleichzeitig den Wettbewerb auf mehreren Ebenen. Ende des Jahres stehen einer aktuellen Prognose zufolge in Deutschland bereits in 5 Millionen Haushalten internetfähige Fernseher.
Zum Beginn der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin sind gleich mehrere Untersuchungen zum Thema Hybrid-Fernsehen erschienen. Wir werfen einen Blick auf die Informationen von PriceWaterhouseCoopers (PwC). „Die Lieblingsserie streamen, auf Facebook posten und gleichzeitig die Ebay-Auktion auf dem Fernsehbildschirm verfolgen – Hybrid-TV macht dies in immer mehr Haushalten möglich“, veranschaulicht das Unternehmen die Möglichkeiten im Pressetext.
Dieses Jahr werden hierzulande voraussichtlich über 3 Millionen Fernseher mit Anschlussmöglichkeit ans Internet verkauft, doppelt so viele wie 2010. Am Jahresende würden somit 5 Millionen Haushalte über einen solchen Fernseher verfügen. „Das Hybrid-TV bringt die einfache Bedienbarkeit des Fernsehens mit der Vielfalt des Internets zusammen. Online-Videos lassen sich in hoher Bildqualität bequem mit der Fernbedienung aufrufen, während Serienfans aktuelle Hintergrundinformationen zur laufenden Folge aus dem Internet auf den Bildschirm holen können“, erklärt Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC.
Offene Browser und leistungsfähigere Hardware
Viele Käufer, die sich ein Hybrid-TV-Gerät ins Wohnzimmer holen, wird es auf Online-Inhalte allerdings gar nicht ankommen. Sehr viele der etwas besseren Flachbildfernseher sind einfach schon entsprechend ausgestattet, den entscheidenden Kaufanreiz liefert das Thema Smart-TV noch nicht, das sollte man beim Betrachten der Zahlen im Kopf behalten. Die geschlossenen Systeme, die neben den vorinstallierten Apps nur ziemlich wenig Auswahl an Zusatzprogrammen bieten, und die recht niedrige Arbeitsgeschwindigkeit der eingebauten Prozessoren bremsen den Erfolg von Connected TV bislang noch etwas. Die Hersteller reagieren jedoch, indem sie mehr Geräte mit offenen Browsern und leistungsstärkerer Hardware auf den Markt bringen.
Am stärksten interessieren sich die 16- bis 24-Jährigen für Hybrid-Fernsehen, hat eine repräsentative Befragung im Auftrag von PwC ergeben. 60 Prozent der Teilnehmer aus dieser Altersgruppe würden gerne YouTube-Videos auf dem Fernseher gucken; 13 Prozent nutzen diese Möglichkeit bereits. „Immerhin 41 Prozent können sich vorstellen, Filme und Serien über das Hybrid-Gerät auszuleihen oder zu kaufen, wobei knapp sechs Prozent schon von dieser Option Gebrauch gemacht haben“, schreibt PwC.
Für Social Networks bieten Fernseher mit Zugang zum Internet attraktive Schnittstellen. 30 Prozent der Umfrageteilnehmer aller Altersgruppen halten Funktionen wie den Facebook-Like-Button, mit denen man dass gerade laufende TV-Sendungen seinen Kontakten in der Community empfehlen könnte, auf einem TV-Gerät für reizvoll. Einer von drei würde gerne Programmtipps auf Grundlage von Empfehlungen seiner Online-Freunde eingeblendet bekommen.
Neue Erlösquellen – härterer Wettbewerb
Obwohl durch Hybrid-TV neue Erlösquellen erschlossen werden, wird der Wettbewerb darum härter. Neben Werbeeinnahmen und Gebühren konkurrieren alle Beteiligten um die Gunst der Zuschauer. Mittelfristig werden sich die Alternativen zum linearen Fernsehprogramm in Deutschland etablieren, geben sich die Experten überzeugt. Einer von drei Internetnutzern in Deutschland sieht sich online schon TV-Inhalte an, nicht nur auf Abruf, sondern zum Teil via Live-Streams. Die Erlöse aus den „Over-the-top-Services“ in Deutschland steigen den PwC-Prognosen aus dem „Global Entertainment and Media Outlook“ zufolge bis 2015 auf weit über 100 Millionen Euro.
Die Experten sagen stark steigende Werbeinnahmen aus Spots im Internet-TV voraus. Zwischen 2010 und 2011 lag der Anstieg hier zwar bei immerhin 16 Prozent, doch bis 2015 soll die jährliche Steigerung 28,4 Prozent betragen, sodass die Umsätze von zuletzt 50 auf dann 150 Millionen erreichen würden.
„Hybrid-TV bietet für alle Beteiligten, seien es Telekommunikationsunternehmen, Kabelnetzbetreiber, TV-Sender, Content-Produzenten oder Werbungtreibenden, neue Möglichkeiten. Doch ändert die Verschmelzung von Fernsehen und Internet nichts daran, dass die Inhalte über den Erfolg von TV- und Internetangeboten entscheiden. Damit haben Produzenten und klassische TV-Sender beim Hybrid-TV einen Wettbewerbsvorsprung, den sie aber durch ‚Abwarten‘ schnell verlieren können“, kommentiert Werner Ballhaus.
Wie schnell wird es gehen?
Sicher, die Entwicklung auf der Angebotsseite vollzieht sich derzeit in hohem Tempo. Doch für den weitaus größten Teil des deutschen Fernsehpublikums dürfte Hybrid-TV weiter weg sein als der Mond. Letzteren haben sie zumindest schon aus der Ferne gesehen, wenngleich sie nicht beabsichtigen, in eine Rakete zu steigen, um ihn selbst zu betreten. Einen Mondspaziergang werden sie erst in Angriff nehmen – man verzeihe mir meinen metaphorischen Überschwang – wenn dafür kein Astronautentraining mehr nötig ist, weil man lässig durch ein Stargate schlendern kann. Anders gesagt: Die Technik muss sehr viel einfacher zu bedienen und zuverlässiger werden.
Wie sehen Eure Erfahrungen mit bzw. Erwartungen an Hybrid-TV aus?