Ortsbasierte Dienste und dabei besonders Augmented Reality Apps bieten Unternehmen Chancen, Kunden in ihre Filialen zu lotsen, ist man beim Beratungsunternehmen Mücke, Sturm & Company überzeugt. Das Interesse an und die Akzeptanz von Location Based Services sollte man jedoch nicht überschätzen.
Der Online-Handel entwickelt sich seit Jahren ausgezeichnet. Darunter leidet verständlicherweise der stationäre Handel. Abhilfe schaffen soll nun ausgerechnet das Internet: Location Based Services (LBS) ermöglichen es Unternehmen, Bestandskunden und potenzielle Neukunden über deren Mobiltelefone in die Filialen zu leiten.
Das Beratungsunternehmen Mücke, Sturm & Company, das in den Branchen Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien und Entertainment aktiv ist, hat vier Geschäftsmodelle herausgearbeitet und für Unternehmen Leitlinien für erste Schritte mit ortsbasierten Diensten entwickelt. „Vor allem Augmented Reality-Apps, die in allen Geschäftsmodellen eingesetzt werden können, und sozial integrierende Anwendungen bieten höchstes Innovationspotenzial“, erklärt Achim Himmelreich, Partner von Mücke, Sturm & Company.
Smartphones machen vieles möglich
Auf einem Smartphone können mittels Location Based Services zahlreiche Informationen mit dem aktuellen Aufenthaltsort des Nutzers verbunden werden. Über verschiedene Arten von Apps können Unternehmen den Umsatz in ihren Ladengeschäften erhöhen, sind die Experten überzeugt:
1. Kostenpflichtige Apps: Hier bieten Unternehmen Location Based Services als Mehrwert-Service für den Kunden über einen App-Store an. Der Entwickler erhält einen hohen Anteil des Verkaufspreises vom App-Store (70% bei Apple).
2. Loyalty Marketing: Dies ist ein Geschäftsmodell, das sich besonders für Unternehmen eignet, die ihre Chancen im Marketing sehen. Besonders größere Marken-Unternehmen entwickeln zur Verkaufsförderung oder zu Werbezwecken eigene, für die Kunden kostenlose, Apps. Der Mehrwert für den Kunden liegt in einer Dienstleistung, z.B. Filialen oder Produkte schneller zu finden oder die Einbindung in lokale Events. Das Unternehmen kann so die Kundenbindung und den Umsatz am POS fördern, und sein Image stärken.
3. Mobile Couponing: Insbesondere für Filialisten stellt Mobile Couponing in Verbindung mit der Location Awareness ein enormes Potenzial dar. Die Verteilung der Gutscheine kann über unternehmenseigene Apps oder Plattformen erfolgen.
4. App-Plattformen: Ein Plattformanbieter (z.B. Foursqare, Kaufda) ermöglicht den Endkunden, eine Vielzahl verschiedener Angebote von Unternehmen in einem App vereint zu nutzen. Anwendungen der sozialen Integration wie Facebook Places oder Foursquare bieten den Kunden noch einen besonderen Mehrwert – spielerisch können Sie App und Angebote nutzen. Der Vorteil für die Unternehmen sind die günstigen Investitionskosten und die hohe Marktdurchdringung.
Abhängig von der Branche und dem jeweiligen Angebot eines Unternehmens bestehen laut den Beratern unterschiedliche Chancen bei Umsatz und Marketing. Der individuelle Ansatz für den Einsatz von ortsbasierten Diensten müsse auf die Branche, die Gesamtstrategie des Unternehmen sowie dessen Kunden und Produkte abgestimmt werden.
Wie sollten Unternehmen das Thema Location Based Services angehen?
Hinsichtlich der ersten Nutzung von Location Based Services wird empfohlen, zunächst eine Plattform wie Facebook Places, Foursquare oder KaufDa auszuwählen. Im zweiten Schritt soll mit Individual, Loyalty und Social Deals beim Couponing experimentiert werden. Ist erst die kritische Masse der Plattform erreicht, biete sich die Entwicklung einer eigenen App dafür an. Diese App lässt sich schrittweise um zusätzliche Funktionen erweitern. Für die nächste Phase lautet die Empfehlung, am Shop eine Schnittstelle einzurichten, die eine Machine-to-Machine-Kommunikation ermöglicht. „Die Reifephase haben Location Based Services noch nicht erreicht. Innovative Konzepte von Augmented Reality und Anwendungen mit Sozialbezug versprechen weitere innovative Geschäftsmodelle“, betont Achim Himmelreich.
Wie hoch ist das Interesse an solchen Diensten?
Derzeit ist zwar noch nicht abzusehen, wie sich die Akzeptanz für Ortungsdienste und damit auch Location Based Services in den nächsten Jahren entwickeln wird. Noch ist das Interesse an der Inanspruchnahme solcher Dienste aber relativ gering, zeigt beispielsweise die kürzlich veröffentliche Studie „Heimat to go“ von TNS Emnid Medien- und Sozialforschung in Zusammenarbeit mit der Radiozentrale. Von den 20- bis 29-Jährigen wollen über 35 Prozent unterwegs standortbezogene Zusatzinformationen zu Medieninhalten oder Werbeangebote nutzen. Immerhin. Unter den 14- bis 19-Jährigen sind es nur 22,4 Prozent, was die Marktforscher auf die mit Smartphones und mobiler Internetnutzung verbundenen Kosten zurückführen.
Das Interesse an Location Based Services korreliert mit der Technikaffinität der Befragten. Das ist nicht überraschend, ein anderer Befund ist ebenfalls gut nachvollziehbar: „Der Blick auf die hierfür bevorzugten Endgeräte macht
dies ebenso deutlich: Während die Jüngeren sich standortbezogene Zusatzservices am liebsten per Handy ziehen, wünschen sich ältere Zielgruppen diese vornehmlich auf dem Autoradio“, heißt es in der Presseinformation. „Worin sich Jung und Alt hingegen kaum unterscheiden, ist die Einschätzung der Relevanz regionaler Informationen wie auch der Produkte und Dienstleistungen: Über alle Altersgruppen hinweg stufen 40 Prozent diese als wichtig bzw. sehr wichtig ein.“
Wie gehen wir mit unseren Daten um?
Nicht nur angesichts der jüngsten Aufregung um die Speicherung von Ortungsdaten durch Apple und (in geringerem Umfang) Google sowie dem erfolgreichen Hackerangriff auf Sony, bei dem Daten von mehr als 100 Millionen Kunden erbeutet wurden, bin ich skeptisch, wie viele Menschen sich wirklich regelmäßig orten lassen und Unternehmen persönliche Daten zu Werbezwecken überlassen möchten. Post-Privacy ist derzeit zwar ein oft gehörter Begriff, doch ich glaube, dass der Trend (zumindest in den nächsten Jahren) in die andere Richtung ausschlagen wird.
Datensparsamkeit ist der beste Datenschutz, das wird immer mehr Menschen bewusst werden. Ich bin auch gespannt, wie lange die Begeisterung für Facebook und andere Soziale Netzwerke anhalten wird. Social Media an sich wird nicht einfach wieder verschwinden, dafür sind die positiven Aspekte viel zu stark. Aber wenn die Menschen damit erst einmal halbwegs vernünftig umgehen, wird das alles nicht mehr dasselbe sein. Das Web 2.0, wie wir es heute kennen, kann so nur infolge beispiellosen Leichtsinns im Umgang mit den eigenen Daten existieren.
Wie groß ist Eurer Meinung nach das Potenzial von Location Based Services für den stationären Handel?