In Deutschland gibt es kaum Glasfaseranschlüsse, die bis in die Wohnungen reichen. Noch fehlt der Bedarf für die damit möglichen hohen Bandbreiten, doch laut einer Deloitte-Studie ist der Glasfaserausbau mittelfristig „alternativlos“.
Wer von einem Glasfaseranschluss in seiner Wohnung träumt, sollte viel Geduld aufbringen oder einen Umzug erwägen, am besten ins Ausland. Über einen FTTH/FTTB-Anschluss (Fibre to the Home/Building) verfügen hierzulande gerade mal 150.000 Haushalte und in nächster Zeit wird sich deren Zahl nicht drastisch erhöhen, auch wenn immerhin die Deutsche Telekom kürzlich den Startschuss für den Netzausbau gab. Ehrgeizig sind die Pläne für die nächste Zeit nicht.
Perspektiven für den Glasfaserausbau in Deutschland
Es liegt nicht nur an den Unternehmen, wenn der Aufbau der Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetze langsam vorangeht. Zu Wochenbeginn ist der neue Deloitte-Report „Breitband Reloaded: Perspektiven für die Glasfaser in Deutschland“ erschienen, der sich mit den Perspektiven bzw. Hürden für den Netzausbau auf dem deutschen Markt befasst. Was die alten Kupferkabel hergeben, reicht vielen Verbrauchern noch aus. Sich den Geschwindigkeitszuwachs etwas kosten lassen wollen nur wenige. Der massive Anstieg beim Bandbreitenbedarf gibt dagegen ein gegensätzliches Signal.
„In Deutschland zeigen sich beim Thema Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetze zwei gegenläufige Entwicklungen: Zum einen wird sich der Bandbreitenbedarf in den kommenden drei Jahren mehr als verdoppeln. Ausschlaggebend sind insbesondere Videoanwendungen und Cloud Services. Zum anderen aber wollen die deutschen Verbraucher nicht tiefer in ihre Taschen greifen“, erklärt Dr. Andreas Gentner, Partner und Industry Leader TMT EMEA bei Deloitte.
Verbraucher scheuen Mehrkosten für FTTH
Nur etwa jeder vierte Verbraucher würde für schnellere Internetzugänge nennenswerte Zusatzkosten in Kauf nehmen. Derzeit gibt es mit VDSL und Kabelinternet Alternativen für diejenigen, denen DSL zu langsam ist. Mit einem Glasfaseranschluss, der bis in die eigene Wohnung reicht, können VDSL und Internet über den Kabelanschluss auf Basis des Standards EuroDOCSIS 3.0 zwar nicht mithalten, für die Intensivnutzer von heute bieten sie jedoch genug Leistungsreserven, sodass im Markt noch die Nachfrage nach FTTH-Anschlüssen fehlt. Der Ausbau der Glasfasernetze ist zudem mit hohen Investitionen verbunden; in dünn besiedelten Gebieten ist laut Deloitte mit bis zu 3.300 Euro pro Anschluss zu rechnen.
Cloud Computing und Videos sorgen für Traffic-Explosion
Vor allem Bewegtbildangebote und Cloud Computing sorgen laut Deloitte-Report künftig jedoch für einen so großen Bandbreitenbedarf, dass der Aufbau solcher Glasfasernetze auf mittlere Sicht ohne Alternative sei. Um FTTH-Anschlüsse wirtschaftlich anbieten zu können, komme es auf Kooperationen über Branchengrenzen hinweg an. Besonders interessant ist hier die Zusammenarbeit der Telekommunikationsunternehmen mit Stromversorgern beim Infrastrukturausbau. Gedacht wird dabei nicht allein an Kooperationen beim Netzaufbau: Intelligente Stromnetze, die im Zuge der Energiewende an Bedeutung gewinnen, bieten den Telekommunikationsunternehmen vielversprechende Kooperationsmöglichkeiten.
Begünstigt werden Investitionen nach Ansicht der Analysten durch zunehmende Klarheit in Regulierungsfragen, weil damit das Risiko für die Unternehmen sinkt. Nicht zuletzt haben sich die Kabelnetzbetreiber zu gefährlichen Konkurrenten der klassischen Telekommunikationsunternehmen entwickelt. Wer Internet und Telefon über seinen Kabelanschluss erhält, braucht keinen herkömmlichen Telefonanschluss mehr und spart unter Umständen durch einen attraktiven einen Paket-Preis für Triple-Play Geld.
Starke Konkurrenz durch Kabelnetzbetreiber
Wo die Kabelnetzbetreiber bereits ihre Netze auf Basis von EuroDOCSIS 3.0 aufgerüstet haben, bieten sie ihren Kunden meistens Internetgeschwindigkeiten von bis zu 100 MBit/s an. Technisch möglich ist bereits ein Vielfaches. Im Upstream erhalten Kabelinternet-Kunden zwar üblicherweise deutlich weniger Bandbreite als die bei VDSL angebotenen bis zu 10 MBit/s. In Empfangsrichtung dagegen, beim Downstream, sind die Internetzugänge mit ihren 100 MBit/s doppelt so schnell wie ein VDSL-Anschluss, der bis zu 50 MBit/s ermöglicht.
Wo Kabelinternet und VDSL zur Auswahl stehen, kommt es daher auf die individuellen Bedürfnisse an, wenn es darum geht, welcher Technologie man als Verbraucher den Vorzug geben sollte. Sobald der Bandbreitenbedarf über das hinauswächst, was an einem VDSL-Anschluss technisch möglich ist, sind die Kabelnetzbetreiber mit ihren Leistungsreserven in ihren modernisierten Kabelnetzen allerdings im Vorteil.
Die Kabelunternehmen dringen mit ihren Highspeed-Internet-Zugängen inzwischen immer weiter in den ländlichen Raum vor, wo VDSL in der Regel nicht verfügbar ist. In den Metropolen haben Stadtnetzbetreiber zum Teil schon recht viel Engagement beim Glasfaserausbau gezeigt, sodass die Telekommunikationsunternehmen hier zusätzlichem Wettbewerb ausgesetzt sind. Wenn die klassischen Telekommunikationsunternehmen nicht ins Hintertreffen geraten wollen, müssen sie in Glasfasernetze investieren. VDSL stuft man bei Deloitte daher nur als Brückentechnologie ein.
Gesamtkonzept ist wichtig
Im Deloitte-Report wird die Wichtigkeit eines Gesamtkonzepts für den „Rollout einer Glasfaserinfrastruktur“ durch die überregional aktiven TK-Unternehmen hervorgehoben. Eine Parallelverlegung lohnt sich selbst in Ballungsräumen nicht. Für den ländlichen Raum sollten Alternativen zu FTTB/FTTH für die Breitbandversorgung genutzt werden, wobei den Kabelnetzbetreibern aufgrund der niedrigen Kosten beim Netzausbau eine Schlüsselrolle für die Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen zukommen könne. Die Politik müsse „eine Balance zwischen Investitionsschutz und Wettbewerb durch ein klar definiertes Regulierungsumfeld gewährleisten“, heißt es im Pressetext.
Weiter heißt es mit Blick auf die ländlich geprägten Gebiete: „Die Regionen abseits der Ballungsgebiete stehen vor dem Dilemma, dass der Ausbau eines Glasfasernetzes meist nicht wirtschaftlich umzusetzen ist. Kommunal getriebene Initiativen mehrerer Kooperationspartner wie zum Beispiel Gemeinden, regionale Sparkassen und Energieversorger können jedoch die Finanzierungslücke mit Hilfe von Fördergeldern überwinden und entsprechende Glasfaserprojekte realisieren. Diese wiederum werden künftig immer wichtiger, wenn sich Kommunen als attraktive Unternehmensstandorte präsentieren wollen.“
Mehreinnahmen durch Bundling und Upselling
Deloitte rät zu neuen Vermarktungsansätzen, die über höhere Einnahmen eine Finanzierung des Netzausbaus ermöglichen. Empfohlen werden beispielsweise Bündel-Angebote von Internetzugängen und HD-Fernsehen sowie Online-Musikdiensten. Außerdem sollte auf „eine konsequente Upselling-Strategie oder das Angebot umfangreicher Mediapakete“ gesetzt werden, um die monatlichen Umsätze je Kunde in die Höhe zu treiben. Bietet man ein Basispaket zu einem günstigen Preis an, können Highspeed-Zuschlag, IPTV, HDTV-Aufschlag und Video-on-Demand-Gebühren dafür sorgen, dass ein Kunde insgesamt recht viel Geld ausgibt und sich die Investition für seinen FTTH-Anschluss für den Netzbetreiber bezahlt macht.
Vermarktung verbessern
Die Experten raten außerdem dazu, sich nicht zu sehr auf die Privatnutzer zu konzentrieren: „Das Glasfaserangebot richtet sich in seinen Marketingbotschaften hauptsächlich an Verbraucher und die sind skeptisch. Deshalb empfiehlt es sich, auch kleine und mittlere Unternehmen miteinzubeziehen. Hier stehen vor allem Cloud Services über High-Speed-Infrastruktur im Fokus. Eine Kombination von Cloud Computing und Glasfaser für den Businesseinsatz erschließt den Telekommunikationsunternehmen interessante Zusatzpotenziale“, resümiert Dr. Andreas Gentner.
Ich gebe zu bedenken, wir dass heute nicht einmal telefonieren könnten, hätte man sich nur am vorhandenen Bedarf der Konsumenten orientiert. Über die ersten Festnetzkunden wurde gespottet wie später über die ersten Handynutzer. Den meisten Menschen dürfte schlicht nicht bewusst sein, wie wichtig Highspeed-Internet mit Bandbreiten im Gigabit-Bereich in nicht so ferner Zukunft sein wird. Wer hätte Ende der 90er Jahre vorausgesehen, welchen Stellenwert das Internet heute hat? Oder Smartphones? Die Bereitschaft, für schnellere Internetverbindungen mehr Geld auszugeben, wird kommen, wenn der Nutzen erfahrbar wird. Davon bin ich überzeugt.
Was glaubt Ihr, wann werden Glasfaseranschlüsse zu Hause so verbreitet sein wie heute DSL-Anschlüsse?