Rund ein Jahr nach ihrer Ankündigung ist die App der Tagesschau verfügbar. Wer ein Smartphone mit Android, iOS oder BlackBerry OS besitzt, kann sich die Applikation kostenlos downloaden. Lohnt sich das?
Ja, das lohnt sich, schicke ich gleich voraus. Die App der Tagesschau überzeugt durch Design und gute Bedienbarkeit, jedenfalls unter Android OS. Ausprobiert habe ich sie auf einem Samsung Galaxy S. Angeboten wird sie außerdem für die Betriebssysteme BlackBerry OS von Research in Motion (RIM) und iOS von Apple. Für Symbian OS ist sie nicht verfügbar, was eine Frechheit ist, denn hierzulande (und weltweit) ist das vor allem von Nokia genutzte Smartphone-Betriebssystem weiter verbreitet als jede andere Plattform. Die Mehrheit der Gebührenzahler wird also ausgeschlossen.
Zugegeben, so schnell und geschmeidig wie auf einem Samsung Galaxy S könnte die auf meinem Nokia C6-00 nicht laufen, doch ein öffentlich-rechtliches Nachrichtenangebot benötigt keinen hohen Coolness-Faktor, ein wenig bodenständiger dürfte eine Symbian-Version schon ausfallen. Wie eine gut gemachte Nachrichten-App unter Symbian aussehen kann, beweist beispielsweise n-tv. Angesichts der langen Vorbereitungszeit ist das Fehlen von Symbian nicht akzeptabel.
Umfangreiches Angebot
Die App der Tagessschau beeindruckt mit ihrem sehr großen Inhalteangebot. Vor allem diejenigen Nutzer kommen auf ihre Kosten, die gerne Nachrichten-Videos sehen. Was hier geboten wird, geht weit über die „Tagesschau in 100 Sekunden“ hinaus, hier haben die verfügbaren Videos nicht bloß Alibi-Funktion, sondern sind zentraler Bestandteil der Anwendung. Genau das sollte die News-App eines Fernsehsenders heutzutage bieten. NDR Intendant Lutz Marmor: „Die Tagesschau-App ist ein zeitgemäßer Service, den wir unseren Zuschauerinnen und Zuschauern ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung stellen. Dies bedeutet nicht, dass alle von uns künftig angebotenen Apps kostenlos erhältlich sein werden. Schon heute vertreibt unsere Enkeltochter Studio Hamburg z. B. eine kostenpflichtige Loriot-App. Weitere kostenpflichtige Angebote sind geplant.“
Möchte man die Kritiker mit der Ankündigung kostenpflichtiger Apps provozieren? Die Wettbewerbsverzerrung wäre bei einem kostenpflichtigen Angebot allerdings geringer. Der privaten Konkurrenz (und dazu zählen besonders die Zeitungsverlage) ist die App der Tagesschau ein Dorn im Auge. Meistens wird von öffentlich-rechtlicher Seite eher defensiv argumentiert. Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell: „Keine zusätzlichen Inhalte, aber mehr Komfort bei der Nutzung – so lässt sich die Neuerung zusammenfassen. Smartphone-User können künftig ohne viele Klicks auf verlässliche News mit dem Qualitätssiegel Tagesschau zugreifen. tagesschau.de schließt damit auf zu mobilen Konkurrenzangeboten, die es gratis gibt.“
Kritik von Zeitungsverlagen
Die Reaktion beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) ließ nicht lange auf sich warten: „Damit gibt es ein weiteres Leseangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein solches Angebot hat angesichts der bestehenden Pressevielfalt im Netz nichts mehr mit einer Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten zu tun“, sagte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. Es handele sich um eine unzulässige, massive Marktverzerrung zum Nachteil der privatwirtschaftlichen Presse. „Das muss rechtlich geklärt werden“, forderte Wolff. Bei den Verlagen legt man in kostenpflichtige Apps derzeit große Hoffnungen.
Tagesschau-Inhalte schon seit 1999 online
Dagmar Gräfin Kerssenbrock, Vorsitzende des NDR Rundfunkrates, sagte in Reaktion auf die Kritik von BDZV und VDZ: „Mit der neuen Applikation können die Gebührenzahler endlich die Tagesschau auch ohne Umwege und umständliche Klickerei auf modernen Smartphones empfangen. Wenn Vertreter der Verlegerverbände wider besseres Wissen behaupten, dies sei rechtswidrig, dann ist dies ganz offensichtlich interessengeleitete Stimmungsmache, der auch die EU-Kommission vor einigen Monaten in einer Anfrage von Frau Koch-Mehrin eine Absage erteilt hat. Sowohl die Gremien als auch Gutachter und nicht zuletzt die Rechtsaufsicht haben eindeutig festgestellt, dass eine technische Anwendung wie die Tagesschau-App den gesetzlichen Vorgaben entspricht.“
Außerdem argumentierte die Vorsitzende mit dem Gebot der Technikneutralität: „Die Gebührenzahler können die Tagesschau auf dem technischen Weg empfangen, den sie für ihre persönlichen Bedürfnisse gewählt haben. Dies kommt auch in den Diskussionsforen im Internet zum Ausdruck, in denen die Tagesschau-App sehr positiv bewertet und weiterempfohlen wird.“
Online sind Inhalte der Tagesschau bereits seit 1999. Dabei orientiert sich die ARD an den veränderten Nutzungsgewohnheiten der Menschen. Heute sind Apps enorm wichtig, wenngleich das keine uneingeschränkt positive Entwicklung darstellt. Immerhin können Inhalte aus der App der Tagesschau heraus via Twitter und Facebook anderen Internetnutzern empfohlen werden. Für meine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich des Umfangs öffentlich-rechtlicher Medienangebote verweise ich auf meinen Artikel von vor einem Jahr. Die einzelne App ist jedenfalls nicht das Problem. Die technische Umsetzung kann sich insgesamt mehr als nur sehen lassen.
Habt Ihr die App der Tagesschau bereits ausprobiert, wie ist Euer Eindruck davon?