Wird das iPad zum Totengräber der Zeitungen?

Geschrieben von am 12. Juni 2010 in Kategorie Meinung

Das iPad wird von der überwältigenden Mehrheit der Medien als Retter des Journalismus gefeiert. Zeitungen und Magazine hoffen darauf, über den Verkauf von Apps an ihr altes Abo-Modell aus dem Print-Bereich anknüpfen zu können. Dabei werden das iPad und die ihm nachfolgenden Media-Tablets dabei helfen, dass den Zeitungsverlagen die zahlenden Leser noch schneller abhanden kommen als bisher.

Vorab: Den nervenden Hype um das iPad fand ich von Anfang an gut, weil Apple es geschafft hat, den Markt für Media-Tablets in Schwung zu bringen. Über Media-Tablets dringt das Internet in Lebensbereiche vor, in denen es bisher nur eine geringe Rolle spielt. Schon Netbooks als leichte, preiswerte und gut zu transportierende Computer mit langer Akkulaufzeit waren ein Schritt in diese Richtung.

Media-Tablets wie das iPad sind ein Stück handlicher und ermuntern zum Einsatz an zusätzlichen Orten. Neben dem Wohnzimmersessel, dem Balkon und dem Frühstückstisch sind Bett und Toilette Orte, an denen das Internet bisher nicht so einfach zu nutzen war. Smartphones sind zum Teil schon dorthin vorgedrungen, aber die Bildschirmgrößen der Mobiltelefone setzen dem Gebrauch einfach Grenzen.

Einige Netbooks sind zwar extrem leise, doch ein Tablet ohne Lüfter und Festplatte ist im Vorteil. Wer Notebook oder Netbook auf den Schoß, den Bauch oder die Bettdecke stellt, muss zudem ein Überhitzen fürchten. Außerdem ist da noch das Gewicht des Computers.

Die 680 Gramm des iPad (730 Gramm in der Version mit UMTS) bedeuten allerdings noch nicht die ganz große Leichtigkeit. Künftige Media-Tablets werden mit Sicherheit deutlich weniger wiegen, derzeit bringen die meisten Netbooks gar nicht mal so viel mehr auf die Waage als das iPad. Leichte und handliche Computer mit langer Akkulaufzeit und für den Medienkonsum optimierter Benutzeroberfläche werden nun zur gefährlichen Konkurrenz für Print-Medien.

Die kostenlosen Medienangebote der Zeitungen und Magazine selbst sind auf einem Media-Tablet jederzeit verfügbar. Warum sollte man eine App kaufen, wenn man dieselben Artikel gratis im Netz lesen kann? In einer lesenswerten Kolumne in der Financial Times Deutschland beschreibt Horst von Buttlar unter dem Titel „Der Apfel ist kein Strohhalm“ das sehr schön: „In dem kleinen Tablet kollidieren beide Kanäle auf engstem Raum und führen den Aberwitz des Modells vor Augen, ja entlarven es: bezahlter Inhalt und paralleles Umsonst-Universum.“

Mag sein, dass die Verlage erfolgreich ins Geschäft mit Apps werden einsteigen können. Zahlen werden die User aber vermutlich nicht für die journalistischen Inhalte, die sie noch im Überfluss gratis lesen können. Zudem wird kaum jemand zweimal für die gleichen Inhalte bezahlen. Wer die App kauft oder abonniert, geht als Leser der Printausgabe verloren. Die Einnahmen durch den App-Verkauf werden das nicht auffangen können.

Und dann sind da ja noch die Gratis-Apps, die durch Werbung finanziert werden. Ich glaube zwar nicht daran, dass sich Steve Jobs mit seinen Vorstellungen von sehr hohen Werbepreisen bei der App-Vermarktung wird durchsetzen können. Höhere Preise als im Web kann ich mir jedoch schon vorstellen. Genau das wird aber zu einem großen Angebot an kostenlosen Apps mit journalistischen Inhalten führen.

Die Zukunft sehe ich zwar in Paid Content, doch so, wie es jetzt läuft, werden die Media-Tablets dazu beitragen, dass noch mehr Print-Produkte nicht genügend Käufer finden. Der von den Medien getragene Hype um das iPad ist ein weiterer Nagel zum Sarg des Print-Journalismus.

Oder liege ich völlig falsch und ist Steve Jobs etwa doch der Retter?

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1 Comments For This Post

  1. Leser says:

    Guten Tag Oliver,

    ich stimme dir in dem Punkt zu, dass wenn diejenigen, die eine spezielle Zeitung abonniert haben und nun auf ein App wechseln, als Leser verloren gehen. Letztens war ich auf einem Kongress auf Schloss Oelber. Dort wurde die PersonalNews (die Seite hieß „www.individuelle-zeitung.de) vorgestellt. Diese Zeitung stellt man sich aus mehreren Zeitungstiteln zu einer individuellen Zeitung zusammen. Ich denke, dass die Leser dieser Zeitung nicht so leicht ihre Abonnierte aufgeben würden, sondern die PersonalNews eher als Informationszeitung für unterwegs bspw. auf dem iPad nutzen würden.

    Grüße.

2 Trackbacks For This Post

  1. Wie werden Tablet-Computer und Apps von Tageszeitungen genutzt? | billigberaten.biz says:

    […] ist, dass Media-Tablets den Zeitungen nicht die Rettung bieten, sondern im Gegenteil ihren Niedergang beschleunigen. Ein Tablet-Computer weitet die Möglichkeiten, frei zugängliche Websites von Zeitungen zu […]

  2. Zeitungen: Tablet-Besitzer wollen Kombi aus App und Printausgabe | TechBanger.de says:

    […] schnell für attraktive Angebote sorgen, damit sich die User gar nicht erst an Zugriff auf die kostenlosen Web-Angebote der Verlage gewöhnen. Den Niedergang der gedruckten beschleunigen die Tablets ganz […]