Blogbeiträge, in deren Überschriften Begriffe wie „Qualitätsjournalismus“ oder „Zeitungssterben“ vorkommen, lese ich schon lange nicht mehr. Wenn sich selbsternannte A- oder Alpha-Blogger über die Medienbranche auskotzen oder klugscheißerisch ihre Visionen einem kleinen Publikum kundtun, so dürfen sie das gerne machen – aber mich interessiert das alles nicht mehr. Schon tausende Male wurde der Tod der gedruckten Zeitung vorhergesagt und genauso häufig haben sich Blogger darüber beschwert, dass sie von den Redakteuren großer Zeitungen nicht ernst genommen werden. Bestimmt werden noch unzählige dieser Beiträge folgen, doch letztlich nerven diese Beiträge nur noch, weil einfach nichts Neues kommt.
Wesentlich erfreulicher und vor allem erfrischender sind Gedanken, die sich junge Menschen machen und unbefangen an das Thema wagen – so wie beispielsweise die Macher von niiu. Ich muss gestehen, dass ich bis vor ca. 20 Minuten noch nie etwas von diesem Konzept gehört habe und eher zufällig über Spiegel Online auf die Sache aufmerksam geworden bin.
Hinter niiu (das irgendwie nach einer Art Tamagotchi klingt) versteckt sich die Tagszeitung der Zukunft. Das Konzept ist klingt viel versprechend: Der Zeitungskäufer bestimmt selbst, welche Inhalte in seiner Zeitung zu finden sind und von welchen Quellen die Inhalte stammen. Um dies zu ermöglichen, arbeitet niiu mit mehreren Verlagspartnern zusammen, über die Inhalte bezogen werden können. Auf der Website der Custom-Zeitung sind derzeit 18 Zeitungsprodukte aufgeführt, die als Infolieferant dienen können.
Ermöglicht wird diese Art von Zeitung durch ein besonders Druckverfahren. Es werden keine großen Zeitungsdruckmaschinen (oder wie man diese Dinger auch immer nennen mag) angeworfen, sondern stattdessen gelangen Hochgeschwindigkeitsdrucker zum Einsatz, die jede Zeitung gemäß der Zusammenstellung des Empfängers einzeln produzieren.
Die Idee klingt auf jeden Fall genial: Dem Zeitungsgeschäft eröffnen sich hierdurch ganz neue Möglichkeiten. Schließlich bekommt der Leser genau das was er möchte und die Produzenten können zielgerichtet werben. So gesehen spreche ich diesem Konzept ein großes Zukunftspotential zu. Allerdings halte ich es für denkbar, dass niiu im ersten Anlauf gnadenlos scheitert. Ob sich innerhalb kürzester Zeit eine ausreichende Anzahl an Kunden findet, wage ich zu bezweifeln. Es ist schwer zu sagen, ob der Otto-Normalverbraucher schon soweit ist und sich seine Zeitung überhaupt selbst zusammenstellen möchte und ob er die einzelnen Quellen überhaupt kennt. Viele Medien-Leute sind im Umgang mit Facebook vertraut, lesen jeden Tag Spiegel-Online etc. – doch der Otto-Normalverbraucher lebt zumeist noch in einer ganz anderen Welt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass niiu erst einmal so richtig an die Wand gefahren wird, weil die Zeit für diese Idee noch nicht gekommen ist. Doch in ein paar Jahren könnte die Situation schon ganz anders aussehen, weil es deutlich mehr Interessenten gibt. Vielleicht halten die Macher bis dahin durch, vielleicht aber auch nicht. Falls nicht, springt eben ein anderer Produzent zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf das Konzept auf. Ich wünsche den niiu Machern auf jeden Fall alles Gute und viel Erfolg bei Ihrem Vorhaben, denn die Idee gefällt mir.