Lügen im Internet

Geschrieben von am 13. Januar 2010 in Kategorie Meinung

12 Millionen Lügner! Falschangaben im Internet zu machen, ist in Deutschland weit verbreitet, zeigt eine neue Forsa-Studie im Auftrag des BITKOM. Beim Hightech-Verband zeigt man Verständnis für die Lügner. Die Gründe dafür, falsche Angaben zu machen, sind allerdings ganz unterschiedlich.

Gestern erhielt ich per Mail eine automatische Geburtstagserinnerung von XING. Einer meiner Kontakte feierte gestern seinen 110. Geburtstag. Das ist ein typisches Beispiel für ein Verhalten, das die Meinungsforscher von Forsa im Auftrag des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) kürzlich in einer Umfrage unter mehr als 1.000 Internetnutzern untersucht haben.

„Jeder vierte Internet-Nutzer ab 14 Jahren (23 Prozent) hat online schon einmal falsche Angaben über sich gemacht. Das entspricht 12 Millionen Deutschen“, teilt der BITKOM in einer aktuellen Presseinformation mit. Die restlichen 77 Prozent haben bei der Umfrage gelogen. Hoffe ich. Schließlich gibt es so viele gute Gründe, nicht immer die Wahrheit zu sagen. Sollten tatsächlich satte drei Viertel der Internetnutzer in Deutschland noch keine falschen Angaben über sich gemacht haben, wäre ich schockiert über so viel Leichtsinn.

„Mit der Wahrheit nehmen es manche nicht allzu genau“, erläutert BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer das Ergebnis. „Viele Web-Surfer verschleiern zuweilen ihre Identität oder täuschen falsche Eigenschaften vor. Dafür gibt es teils sehr verständliche Gründe.“ Vor allem bei Namen und Altersangaben werden oft nicht die richtigen Daten angegeben. Jeder zweite derjenigen, die überhaupt schon Falschangaben gemacht haben, hat es bei Name und Alter schon getan, jeder dritte bei seiner Telefonnummer, jeder vierte bei der E-Mail-Adresse, seinen körperlichen Eigenschaften und Einkommen, ihr Geschlecht gaben 14 Prozent falsch an.

Die Motivation beim Lügen im Netz gestaltet sich uneinheitlich: „In erster Linie sind Falschangaben eine Abwehrreaktion gegenüber den zahlreichen Datenabfragen im Internet“, meint Prof. Scheer. Von denen, die sich nicht immer an die Wahrheit halten und das in der Umfrage zugaben, ist es 58 Prozent nicht geheuer, viele persönliche Informationen zu verraten; 48 Prozent nennen Sorge vor unerwünschter Werbung als Beweggrund. Eine andere Art von Falschangaben findet sich bei denen, die anderen absichtlich etwas vorspielen. „Jeder sechste, der im Netz gelogen hat, will sich der Umfrage zufolge ‚im Internet ausleben ohne negative Folgen‘, schreibt der BITKOM. „10 Prozent der Schwindler wollten sich unerkannt nach einem neuen Partner umschauen und fünf Prozent schlicht zum Spaß andere an der Nase herum führen.“ Zum Spaß im Internet lügen? Da scheinen eine Menge Leute in unserem Land wirklich zu viel Zeit zu haben!

„Wie im richtigen Leben brauchen Internet-Nutzer ein gesundes Misstrauen“, hebt Scheer hervor. „Gerade weil man seinem Gegenüber nicht live ins Gesicht sieht, sollte man nicht alles preisgeben und nicht alles glauben.“ Er rät zu Sparsamkeit mit persönlichen Angaben: „Internet-Surfer sollten bewusst entscheiden, wem sie welche Details preisgeben. Man muss nicht jedes weiße Feld ausfüllen.“ Das hat er gut gesagt! Gerade im Social Web können die User oft selbst einstellen, wer welche Daten sehen kann. Die großen Social Networks bieten eine Fülle an Einstellungsmöglichkeiten. „Die Möglichkeit, den Datenschutz selbst anzupassen, wird etwa von jedem Dritten nicht genutzt“, erklärt Scheer mit Blick auf eine frühere BITKOM-Umfrage.

Wissen die User nicht, wie das geht, ist es ihnen zu mühsam oder schlichtweg egal? Ich glaube, dass alle drei Möglichkeiten eine Rolle spielen. Mark Zuckerberg, Boss von Facebook, sorgte kürzlich mit Äußerungen zu den entsprechenden Einstellungen in seinem Social Network für Wirbel; angeblich hatte er das Ende der Privatsphäre verkündet. Tatsächlich meinte er jedoch, dass es heute normal sei, bestimmte Basisinformationen über sich öffentlich preiszugeben. Natürlich ist es für die Vermarktung der Community wichtig, dass die Nutzer gewisse Angaben zur Person machen; sonst lässt sich nicht gezielt Werbung schalten.

Richtig dürfte allerdings auch sein, dass es sehr viele Menschen nicht kümmert, wie öffentlich ihre Informationen sind. Und dass, so behaupte ich, hat den Erfolg der Social Networks überhaupt erst ermöglicht. Würden sich alle User an das halten, was Datenschützer empfehlen, gäbe es vielleicht (!) XING und LinkedIn, aber nicht Facebook und die VZ-Netzwerke.

Ich sage: Ja, die Einstellung dazu, was man über sich selbst erzählt, hat sich verändert. In gewissem Umfang ist das eine gute Entwicklung. Leider ist derzeit überhaupt nicht abzuschätzen, welche Informationen später einmal zum Bumerang werden, zumal sich das schlecht verallgemeinern lässt.

Bei Spiegel Online findet sich in einem im vorigen Monat erschienenen Beitrag mit der reißerischen Überschrift „Google will die Weltherrschaft“ folgender Satz: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“ Das soll Google Boss Eric Schmidt gesagt haben. Ob sich das auf die Befugnisse der US-Regierungsbehörden, auf die bei Google erfassten Daten zuzugreifen, bezog, oder ob der Mann einfach böse ist, es gehört zum Klügsten, was ich in letzter Zeit zum Thema gehört habe.

Keine Vorschrift zum Datenschutz und kein Gesetz kann letztlich mit Sicherheit verhindern, dass Daten, die einmal angefallen sind, nicht genutzt werden. Auf welche Weise jemand sie auch erworben haben mag. An allen Ecken und Enden hinterlassen wir in unserem Leben heute Datenspuren. Ich denke, man sollte Eric Schmidt für seine Äußerung nicht kritisieren, sondern loben.

Die entscheidende Herausforderung für die Zukunft besteht indes nicht darin, für einen wirksamen Datenschutz zu sorgen, sondern darin, wie wir in unserer Gesellschaft mit den Daten unserer Mitmenschen umgehen. Jeff Jarvis erklärt in seinem Buch „Was würde Google tun?“ sehr überzeugend, wie vorteilhaft es sein kann, sehr viel über sich und sein Leben im Internet zu verraten. Bis sich hier die künftige Entwicklung abzeichnet, sollte man lieber vorsichtig sein, ohne jedoch auf die Chancen, die das Social Web bietet, komplett zu verzichten, sondern mit ausreichend Medienkompetenz gezielt etwas für die eigene Online-Reputation zu tun.

Wie haltet Ihr es mit der Wahrheit im Internet?

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1 Comments For This Post

  1. fschuetz says:

    @“…ohne jedoch auf die Chancen, die das Social Web bietet, komplett zu verzichten, sondern mit ausreichend Medienkompetenz gezielt etwas für die eigene Online-Reputation zu tun.“

    So sehe ich das auch! Klar ist, dass man seinen Ruf im Netz regelmäßig kontrollieren sollte – gerade auch im Hinblick auf die Karriere. Aber als nächster Schritt ist dann wie erwähnt wichtig, die eigene Wahrnehmung im Netz aktiv zu beeinflussen…dazu bietet das Netz ja wirklich viele Möglichkeiten, z.B. Yasni Premium: https://www.yasni.de/premium
    😉