Am 9. Dezember wird TimeWarner seine Tochter AOL in die Unabhängigkeit entlassen, am 10. Dezember werden AOL-Aktien, die erst einmal den TimeWarner-Aktionären gehören werden, wieder regulär an der Börse gehandelt. Seit der Fusion wurden einige Fehler begangen, das Platzen der Internet-Blase nicht ist der einzige Grund dafür, dass AOL so extrem an Wert verloren hat.
Die ganzen Spötter, die beim Stichwort AOL in ihren Artikeln und Kommentaren jetzt wieder heftig auf das Unternehmen einschlagen, sollten jedoch AOL die Daumen drücken und auf eine zweite Erfolgsstory hoffen. AOL setzt auf Inhalte und den Erfolg von Online-Werbung, nicht mehr auf das Zugangs- und Portalgeschäft.
Die Journalisten sollten an AOL glauben, weil Inhalte ihr eigenes Geschäft sind. Die Nutzer sollten an AOL glauben, weil oder zumindest wenn sie für Inhalte im Internet nicht bezahlen wollen. Wer über die Pläne von AOL lacht, sollte sich fragen, wie er sich die Zukunft des Internets vorstellt und was das für ihn selbst bedeutet. Das betrifft ganz besonders die professionellen Blogger, denn viele der auf gut 80 Websites angewachsenen Content-Sparte von AOL können mehr oder weniger als Blogs bezeichnet werden.
Schafft es AOL mit seinem großen Verbund aus Websites und als selbst einer der größten Vermarkter für Online-Werbung mit seiner Werbesparte AOL Advertising nicht, mit Inhalten erfolgreich zu sein, welche Chancen können sich dann kleinere Publisher ausrechnen?
Es stimmt auch einfach nicht, dass AOL heute unbedeutend oder ein Zwerg wäre. Doch das ist immer eine Frage der Perspektive. Im Vergleich zur einstigen Bedeutung ist der Blick auf AOL heute mehr als ernüchternd. Im Vergleich mit dem so hoch in der Gunst der Internetversteher liegenden Twitter hingegen ist AOL aber weiter ein Riese. Und hat ein Geschäftsmodell.
Wo indes der große Schwachpunkt liegt, beschreibt in einem hervorragenden Artikel Nicholas Carlson vom Silicon Alley Insider: Die meisten AOL Websites beziehen einen extrem großen Teil ihres Traffics von AOL.com und AOL Mail. Das Portal wiederum steht nach Besucherzahlen so gut da, weil die verbliebenen Nutzer mit ihren analogen Modems nach dem Einwählen dort landen. Die Kunden im Zugangsgeschäft wechseln jedoch seit langem in großen Zahlen zu anderen Zugangsanbietern, wodurch AOL.com Jahr um Jahr Besucher diese Besucher verliert, sofern sie nicht aus Gewohnheit oder anderen Gründen das Portal besuchen.
Die große Frage ist demnach, wie schnell diese Verluste durch Besucherströme von anderen Websites ausgeglichen werden müssen bzw. können. Die Abhängigkeit vom Portal ist der Schwachpunkt, doch ich bin der Meinung, dass das Portal auch ohne das Zugangsgeschäft erfolgreich sein könnte. AOL Mail verlassen die User zudem nicht, nur weil sie ihren Internetprovider wechseln. E-Mail ist nicht tot und stirbt auch nicht sobald, es kommt daher darauf an, dass AOL Mail für die User attraktiv bleibt.
Wird AOL als eigenständiges Unternehmen Erfolg haben? Wo seht Ihr die Probleme und Chancen?