Computer- und Videospiele erreichen einen neuen Level. Sechs Trends sorgen in der Branche für Bewegung. Heute öffnet erstmalig die neue Spielemesse „gamescom“ in Köln ihre Pforten, der erste Tag gehört dem Fachpublikum, ab morgen kommt das breite Publikum.
Obwohl Deutschland hinter Ländern wie Großbritannien und den USA weit zurückliegt, sind elektronische Spiele inzwischen eine beliebte Beschäftigung in breiten Bevölkerungskreisen. Menschen, denen Computer- und Videospiele wichtig sind, gehören nicht zu einer merkwürdigen Randgruppe, wenngleich manch absurde Diskussion in den letzten Jahren diesen Eindruck vermitteln könnte. Dem steht die Zahl von 21 Millionen Spielern gegenüber. Vor allem bei Menschen unter 30 Jahren gehören die Spiele zum Leben, doch selbst in der Altergruppe ab 50 Jahren gibt es inzwischen eine nennenswerte Zahl von Spielern.
„Derzeit spielen die Deutschen im Schnitt 5,4 Stunden pro Woche, die meiste Zeit davon am Computer – insgesamt 4,5 Stunden. An PC und Laptop überwiegt das Spielen über Internet: 2,3 Stunden pro Woche verbringen die Bundesbürger mit vernetztem Spielen. Stationäre Spielkonsolen werden durchschnittlich eine halbe Stunde pro Woche genutzt“, verkündet der Hightech-Verband BITKOM in seiner neuesten Pressemitteilung. „Von wachsender Bedeutung sind außerdem sogenannte Serious Games. Dabei stehen Lernen und Wissensvermittlung im Vordergrund. So werden Computerspiele bei der Vermittlung komplexer Sachverhalte eingesetzt oder als Simulationsanwendung, etwa für Operationsschulungen in der Medizin. Angehende Ärzte können auf realitätsgetreue Art und Weise Erfahrungen für die Praxis sammeln.“
Die Zahlen stammen aus der neuen Studie „Spielend unterhalten – Wachstumsmarkt Electronic Games“, die beim BITKOM zum kostenlosen Download angeboten wird, sowie aus der Deloitte-Studie „The State of the Media Democracy“, die voriges Jahr durchgeführt wurde.
Noch mehr Zahlen: Dieses Jahr wird die Spielebranche mit Konsolen sowie mit Games für Konsolen und Computer voraussichtlich 2,7 Milliarden Euro umsetzen. Damit ist 2009 zwar nicht noch einmal ein großer Wachstumsschub zu erwarten. 2008 stieg der Umsatz um 17 %, 2007 sogar um 29 %. Doch auf dem hohen Niveau des Vorjahres noch um einen Prozentpunkt zuzulegen, ist angesichts der Wirtschaftslage vorzeigbar. Die Spielebranche ist inzwischen ein wichtiger Faktor der Medienindustrie.
Spannend sind derzeit jedoch jenseits der Zahlen sechs Trends, die die Entwicklung der Branche beeinflussen:
1. Kollektives Spielen für gemeinsame Spielerlebnisse
2. Mobiles Spielen
3. Serious Games
4. Digitale Distribution
5. In-Game-Advertising
6. Cross-Selling
Diese sechs Trends sind nach Auffassung des BITKOM dabei, Spiele auf einen neuen Entwicklungsstand zu bringen: „Die digitalen Spiele der Zukunft sind kaum zu vergleichen mit den Computerspielen der Vergangenheit. Dank neuer Bedientechnologien sowie dem kollektiven und vernetzten Spielen verschmelzen virtuelle und reale Welt. Die Spieler werden zum Teil des Geschehens“, prognostiziert Achim Berg, Vizepräsident des BITKOM, bei der Vorstellung der Studie „Spielend unterhalten – Wachstumsmarkt Electronic Games“. Dabei werden von der Spielebranche ganz unterschiedliche Zielgruppen erreicht. Berg: „Mittlerweile begeistern sich auch Menschen für digitale Spiele, die sich nicht als Gamer bezeichnen würden. Im Durchschnitt werden die Spieler älter und weiblicher.“ Für Breitenwachstum sorgen beispielsweise Partyspiele.
In manche Spielewelten kann man sich für lange Zeit zurückziehen, doch nicht jeder kann oder möchte so viel Zeit aufwenden. „Viele haben das Bedürfnis nach Spielen und nur wenige die Zeit, sich in umfassende Storys hineinzudenken. Sie wollen kurzweilig und interaktiv unterhalten werden. Für diese Zielgruppe sind Casual Games das optimale Angebot“, erläutert Klaus Böhm, Director Media bei Deloitte.
Eine wichtige Rolle bei den Casual Games kommt den mobilen Endgeräten zu, dazu Böhm: „Schnelles mobiles Internet und attraktive Zusatzfeatures wie die GPS-gestützte Ortsbestimmung werden innovative Spielformen und Einsatzmöglichkeiten entstehen lassen. Sie können zum Beispiel für Stadtführungen oder zur Schnitzeljagd an realen Orten genutzt werden.“
Ob ausgerechnet das ein gutes Beispiel ist, wird die Zukunft zeigen. Manche der sechs Trends sind alles andere als neu. Schon mit der Einführung des Gameboy erreichte mobiles Spielen eine neue Dimension, wobei das Internet dabei keine Rolle spielte. Das Spiel zum Film ist ein alter Hut, der Film zum Spiel ebenfalls nicht neu. Man kann natürlich darauf wetten, dass die Verzahnung enger und selbstverständlicher wird. Gemeinsames Spielen hat durch Breitbandinternet und Flatrates schon eine andere Qualität erreicht, doch selbst in der Generation derer, die ihre Jugend am C64 oder Amiga verbracht haben, hieß Spielen nicht, stundenlang alleine vor dem Bildschirm zu verbringen.
Neben der wachsenden Bedeutung von In-Game-Advertising wird vermutlich die digitale Distribution die größten Veränderungen bringen. So werden bereits aufwendige Online-Spiele kostenlos angeboten, bei denen die Anbieter über den Verkauf von Extras wie Ausrüstungsgegenständen verdienen. Sich mit echtem Geld in der virtuellen Welt Vorteile zu erkaufen, verändert einiges, nicht bloß das Geschäftsmodell!
Die größte mögliche Revolution scheint man beim BITKOM noch gar nicht auf dem Radar zu haben: Cloud Computing. Statt extrem leistungsfähiger Hardware benötigen die Spieler von morgen vielleicht nur noch schlanke, billige Clients, die eigentliche Computerpower steckt in der Wolke. Dafür muss die Internetanbindung zwar noch ein ganzes Stück leistungsfähiger werden, doch der Aufbau einer solchen Infrastruktur wäre schließlich nicht nur die Basis für eine echte Revolution der Spielebranche, sondern weiter Teile der globalen Wirtschaft. Aber zugegeben, diese Revolution braucht noch Zeit.
Was haltet Ihr für den wichtigsten Trend im Bereich Spiele? Welchen Stellenwert haben digitale Spiele in Eurem Leben?