Der Microbloging-Dienst Twitter hat im Vergleich zu den April-Daten die Zahl seiner Besucher aus Deutschland verdoppelt: Kaum zu glauben: 1,8 Millionen Unique Visitors weisen die frischen Zahlen der Marktforscher von Nielsen aus. Mit 54,1 % überwiegen die weiblichen Besucher, am stärksten vertreten ist die Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren.
Selten waren Nutzerzahlen so wenig aussagekräftig wie diejenigen, die in der aktuellen Pressemitteilung von Nielsen den Weg an die Öffentlichkeit fanden. Sie sind bestens dafür geeignet, Missverständnisse zu bewirken. Nielsen weißt allerdings selbst darauf hin, dass von den 1,8 Millionen Menschen der allergrößte Teil, nämlich 1,5 Millionen Unique Visitors, nicht die Adresse von Twitter in die Adresszeile ihres Webbrowsers eingegeben hatten, sondern über andere Websites zum Microblogging-Dienst gelangten.
Vor allem Google schaufelt Traffic zu Twitter.com. „Damit stellt sich die Frage, ob es sich bei den Nutzern um regelmäßige Besucher handelt, denn denkbar ist auch, dass ein Teil der Nutzerzahlen nur aus kurzfristigem Interesse an bestimmten Themen oder erhöhter medialer Aufmerksamkeit resultiert“ formuliert man sehr zurückhaltend bei Nielsen.
Den Suchschlitz von Google statt der Adresszeile des Browsers zu nutzen, ist ja nicht ungewöhnlich. Und wenn man beispielsweise die Accounts bestimmter Nutzer auf Twitter schnell erreichen möchte, dürfte es über Google ebenfalls meistens einfacher gehen, besonders wenn man nicht völlig sicher ist, was die Schreibweise angeht.
Allerdings heißt es in der Presseinfo weiter: „Die Loyalitätsanalyse der Nielsen Zahlen zeigt, dass 35,7 Prozent der Nutzer des Vormonats im Juni erneut Twitter besuchten. Anders herum betrachtet, waren lediglich 27,2 Prozent der Juni-Nutzer bereits auch im Mai auf Twitter.com. Ein Großteil der Besucher im Juni scheint also Twitter neu für sich entdeckt zu haben. Ein weiteres Indiz liefert die Anzahl der Visits: Im Juni waren 71,1 Prozent der Nutzer nur einmal auf der Website. Lediglich 14,8 Prozent der Nutzer waren mindestens drei Mal auf Twitter.com unterwegs.“
Bis hierhin sind die Zahlen auf jeden Fall interessant, doch welche Schlussfolgerungen man nun zieht, ist eine andere Sache. Trotz des Besucherandrangs scheine der Microblogging-Dienst bei zahlreichen Nutzern „eher flüchtig und wenig intensiv gewesen zu sein. Dafür spricht auch die auf der Website verbrachte Zeit: Im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Wer-kennt-wen, weist Twitter eine deutlich geringere Nutzungsdauer auf. Lediglich 6,5 Prozent der Nutzer verbrachten im aktuellen Monat mehr als 30 Minuten auf Twitter. Bei Facebook beträgt der Anteil dieser Nutzer 31,8 Prozent. Auf Wer-kennt-wen verbrachten im Juni sogar 43,8 Prozent der Nutzer mehr als eine halbe Stunde. Dieses Ergebnis ist selbstverständlich auch darauf zurückzuführen, dass das Verfassen der 140-Zeichen-Tweets darauf ausgerichtet ist, schnell und in Echtzeit zu kommunizieren und damit weniger Zeit in Anspruch nimmt als die Kontaktpflege über andere soziale Netzwerke.“
Mal abgesehen davon, dass sich in 30 min eine Menge Tweets schreiben lassen: Die Twitter-Website ist eine der schlechtesten Möglichkeiten, den Service zu nutzen. Clients wie TweetDeck und Twihrl vereinfachen das Twittern enorm; dank der API gibt es geradezu verwirrend viele Möglichkeiten, auf den Web 2.0 Service zuzugreifen. Ein Großteil der medialen Aufmerksamkeit von Twitter entfiel doch gerade im Juni auf die Rolle des Microblogging-Dienstes bei den Unruhen im Iran. Den Zugang zur Website zu zensieren, ist eine Sache, aber damit war es ja gerade nicht getan! Die eifrigsten Twitter-Nutzer, man könnte vielleicht sogar von den echten Twitter-Nutzern im Vergleich zu bloßen Besuchern reden, wurden von der Erhebung gar nicht erfasst.
Deshalb ist die nächste Schlussfolgerung ebenfalls mit Vorsicht zu sehen: „Aktuell zeichnet die Analyse der Daten für Twitter ein vielschichtiges Bild: Auf der einen Seite steht das enorme Interesse und der Zuwachs der Nutzerzahlen. Auf der anderen Seite statteten die Nutzer Twitter nur wenige Besuche ab und viele Nutzer des Vormonats sind nicht wieder zurückgekehrt. Zugleich werden aber auch kurze Besuche durch die einfache Bedienbarkeit und die Schnelligkeit von Twitter begünstigt. Bei unvorhergesehenen Ereignissen mit hohem Nachrichtenwert kommen diese Eigenschaften dem Microblogging-Dienst zugute und generieren hohe Aufmerksamkeit.“
Es könnte schließlich sein, dass Besucher, die sich von Twitter überzeugen lassen, schon nach kurzer Zeit auf einen der vielen anderen Wege ausweichen, weil man mit Twitter einfach mehr anfangen kann, wenn man die Website nicht besucht.
Zu bedenken geben möchte ich außerdem: Selbst wenn man überhaupt nicht weiß, was Twitter ist, kann man im Rahmen einer Google-Suche schnell dorthin gelangen, beispielsweise wenn man den Namen einer Person eingibt. Spannender finde ich jedoch das Potenzial von Microblogging: Letzten Monat als Biz Stone von Twitter schließlich selbst zugegeben, dass man es Neulingen noch zu schwer macht und die Twitter-Startseite zu wenig aussagekräftig sei. Aus der hohen Aufmerksamkeit möchte man endlich etwas machen.
Wie lest Ihr die Zahlen von Nielsen über die Besucherzahlen von Twitter?
August 5th, 2009 at 15:45
Ich weiß das viele die Webseite für schlecht geeignet halten, aber ich persönlich finde alle Clients schrecklich und unbenutzbar; nur der Browser und Tools wie Hootsuite bzw. Tweetlater bieten mir den Komfort den ich suche. Daher bin ich immer irritiert wie Menschen so stur behaupten können „nur die API ist die gute Seite von Twitter“. 😉