Für politische Themen entwickelt sich das Internet zur Informationsquelle Nummer eins. Das besagt eine diese Woche vorgestellte Google-Studie. Bei den unter 30-Jährigen hat das World Wide Web die anderen Medien bei Politik-Infos schon abgehängt.
Von den Befragten unter 30 Jahre schauen bloß 48 % für Informationen zum politischen Geschehen in eine Zeitung. Das Fernsehen behauptet sich zwar insgesamt als beliebtetes Medium, doch junge Fernsehzuschauer wählen im TV selten Sendungen zu politische Themen.
Ohne Überraschung: Die Unterschiede zwischen den Generationen sind deutlich. Wer über 60 Jahre alt ist, setzt stark auf Fernsehen und Zeitung, wer unter 30 Jahre ist, informiert sich vorwiegend online. 36 % der nach 1979 Geborenen nannten das Netz als bedeutendste Informationsquelle für politische Informationen, vor dem Fernsehen mit 34 % und Zeitungen mit 23 %. Dabei vertrauen die jungen Leute den Informationen aus dem Netz genauso wie denen aus den gedruckten Zeitungen, wohingegen die über 60-Jährigen Print gegenüber Online einen Vertrauensbonus von 10 % einräumen. In der Gesamtbevölkerung ist die Bedeutung des Internets für diese Themen noch gering.
In der für Google Deutschland von der University of Management and Communication (FH) in Potsdam durchgeführten repräsentativen Befragung ging es außerdem darum, was und wie Politikinteressierte online suchen. In der Pressemitteilung des Internetkonzerns heißt es dazu: „Mehr als 40 Millionen Deutsche nutzen das digitale Medium mittlerweile täglich. Sie interessieren sich im Bereich Politik vor allem für die Wirtschafts-, Außen- und Innenpolitik. Arbeits- und Sozial- sowie die Verteidigungspolitik folgen im Interessen-Ranking an vierter beziehungsweise fünfter Stelle. Ihre Suche nach Informationen zu politischen Themen beginnen acht von zehn Internetnutzer auf Nachrichtenseiten oder mit Hilfe von Suchmaschinen. Das direkte Ansteuern der Internetauftritte von Parteien, Ministerien und Verbänden fällt dagegen kaum ins Gewicht.
Um schnell zu den gesuchten Informationen zu gelangen, würde fast jeder zweite Internetnutzer (45 Prozent) Textanzeigen folgen, mit denen die politischen Akteure auf ihre Themen und Inhalte aufmerksam machen. Die unter 30-Jährigen messen solchen Anzeigen, die sich im Kontext politischer Seiteninhalte und konkreter Suchbegriffe schalten lassen, sogar eine wesentliche Bedeutung im laufenden Bundestagswahlkampf bei.“
Hier ist ein kritischer Blick gefragt. Vom Kontext einer Internetseite abhängige Textanzeigen sind die Cashcow von Google. Google-Anzeigen als wirksames Wahlkampfmittel gelten zu lassen, liegt ganz im Interesse des Konzerns. Andererseits erscheint dieses Ergebnis nicht abwegig und erst recht ist es einsichtig, dass Google im Rahmen der Befragung Interesse an diesem Thema hatte.
Angesichts des Booms bei Webvideos ist es nachvollziehbar, wenn Videos im Bereich politischer Informationen an Bedeutung gewinnen. In der Presseinformation heißt es zu diesem Thema: „Unabhängig von dem Verlauf, den deutsche Netzbürger zur Information über politische Themen wählen: Der Politikberichterstattung auf Nachrichtenseiten mit ihrem vielfältigen Angebot an Text-, Bild- und zunehmend auch Videoinhalten messen rund 80 Prozent der regelmäßigen Internetnutzer eine entscheidende Bedeutung im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahlen bei.“
Neben den Bewegtbildinhalten auf den Websites klassischer Medien spielen Videoportale, allen voran YouTube, eine wichtige Rolle. „Knapp 60 Prozent der jungen ‚U30‘-Videoplattform-Besucher nutzen YouTube nach eigenen Aussagen ‚häufig‘ bis ’sehr häufig‘ auch als politisches Informationsmedium“, heißt es seitens Google.
Bereits im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf zeigte sich das Potenzial solcher Video-Websites. Deutsche Parteien und Medien sind inzwischen mit eigenen YouTube Channels online. „Politikformate wie ‚Maybrit Illner‘ und der im Juni 2009 von ZDF und YouTube eröffnete ‚Open Reichstag‘-Kanal erreichen dabei nicht nur gezielt jüngere Zielgruppen. Sie nutzen deren interaktive Funktionen auch, um ihrem TV-Publikum verschiedene Möglichkeiten der aktiven Teilnahme an politischen Debatten zu bieten“, stellt der Google-Pressetext die Vorteile des Mediums heraus.
Vielleicht wird der Bundestagstagswahlkampf ja doch noch spannend, besonders weil das Internet im Zuge von Web 2.0 inzwischen noch weit stärker zum Dialogmedium geworden ist. Politiker aller Parteien sind auf zahlreichen Plattformen vertreten, Social Networks wie studiVZ und meinVZ mit ihrer Wahlzentrale schaffen Kommunikationsräume, die nicht nur Wähler mobilisieren und informieren können, wie sich das mancher bei den Parteien mit Blick auf den Obama-Wahlkampf erhofft hat, sondern durchaus Risiken für die Wahlkämpfer bergen. Der Groundswell wird von vielen immer noch stark unterschätzt, obwohl sich die Macht der Internetnutzer in vielen Bereichen zeigt.
Mit ihrer Stoppschild-Politik und ständigen neuen Forderungen nach einer Ausweitung von Internetsperren (etwa hinsichtlich von Verboten angeblicher „Killerspiele“), die viele Netznutzer als Zensur oder Angriff auf ihren Lebensstil werten, könnte es den Volksparteien CDU und SPD gelungen sein, junge Menschen in völlig anderer Weise als erhofft für politische Themen interessiert und für die Bundestagswahl mobilisiert zu haben. Ein lesenswerter Artikel auf Spiegel Online trägt die Überschrift „Sie werden sich wünschen, wir wären politikverdrossen“.
Was glaubt Ihr: Wird sich die Art und Weise, wie CDU und SPD insgesamt gegenüber der Netzgemeinde aufgetreten sind, bei der Wahl zum Bundestag rächen? Oder können die Politiker der beiden großen Parteien darauf hoffen, dass der Sturm, in den sie geraten sind, bis zur Wahl abflaut?
Juni 27th, 2009 at 18:22
Ich denke nicht, dass da was abflaut. Immerhin gibt sich gerade die CDU redlich Mühe jeden Tag mit einer neuen, noch absurderen Forderung zum Thema Netzpolitik herauszuplatzen. Dass man die SPD schon fast überzeugt hatte das Zugangserschwerungsgesetz abzulehnen, nur damit sie wieder umfällt, wird sicherlich auch bis September nicht vergessen sein. Die Frage ist in wie fern enttäuschte Netzbürger Menschen die ihnen nahestehen, aber nicht online sind überzeugen können.
Juni 27th, 2009 at 20:40
@Heiko: Das Interesse der Menschen kann von einem zum anderen Tag umschlagen. Seit dem Tod von Michael Jackson spielt das Thema Iran in den Medien fast keine Rolle mehr.
Diejenigen, die sich gegen die Internet-Sperren engagiert haben, werden bis zum Wahltag nicht vergessen, was passiert ist. Allein schon nicht, weil – wie Du richtig sagst – immer wieder neue, absurde Forderungen aufkommen.
Doch die vielen anderen Leute, auf die es dann ankommt, lassen sich da leicht ablenken.
Und wenn die – ich sag einfach mal: Netzaktivisten – jetzt an der Piratenpartei so großes Interesse zeigen, ist für Frau Merkel die Kanzlerschaft so gut wie gesichert, weil es doch sehr, sehr unwahrscheinlich ist, dass die Piraten es aus dem Stand in den Bundestag schaffen. Je stärker diejenigen Kräfte, die eine andere Politik möchten, sich zersplittern, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie Erfolg haben werden.
Ohne damit für oder gegen eine bestimmte Partei Position zu beziehen: Spannend kann die Wahl werden und spannend kann der politische Prozess werden, wenn diejenigen, die jeweils anderer Meinung sind, die sachliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner mit den Mitteln des Web 2.0 suchen.
In Foren, Gruppen, Blogs derjenigen, die anderer Meinung sind, aktiv zu werden, seinen Standpunkt argumentativ zu vertreten (ohne Pöbeleien, Beleidigungen etc.), könnte unsere Demokratie verbessern.
Für die Netzaktivisten ist das ein Heimspiel, ein Grund mehr, dem politischen Gegner nicht durch Kommunikation auf „Klowände des Internets“-Niveau erst eine Angriffsfläche zu bereiten.