Endlich gibt es eine große Diskussion zu der Frage, auf welche Art Medienunternehmen wie Zeitungen künftig ihr Geld verdienen können. Viel zu lange war dieses Thema kein großes Thema. Durch die Wirtschaftskrise und den damit verbundenen Einbrüchen im Werbemarkt findet die Frage nach dem Geschäftsmodell der Zukunft endlich die nötige Aufmerksamkeit.
Solange die Printausgaben der Zeitungen genügend Käufer fanden, ließen sich kostenlose Onlineausgaben der Printerzeugnisse leicht finanzieren. Das Internet war in erster Linie ein zusätzlicher Verbreitungsweg für die redaktionellen Inhalte. Das ging lange Zeit gut, zu lange. Denn die User haben sich nicht nur daran gewöhnt, dass Zeitungen im Netz nichts kosten. Schlimmer noch: Eine Generation von Lesern ist herangewachsen, die für Zeitungen noch nie bezahlt hat.
Dieser Punkt ist wichtig, denn wer daran gewöhnt ist, dass ein Zeitungsverlag jeden Monat 20 oder 30 € dafür von seinem Konto abbucht, dass ihm ein Zeitungsbote vor Sonnenaufgang bedrucktes Papier in den Briefkasten steckt, wird es nicht für völlig abwegig halten, für solche Informationen zu bezahlen, obwohl es für digitale Inhalte durchaus eine Zahlungsbereitschaft gibt, wie der Trend zu App-Stores und die Tatsache, dass Gamer für virtuelle Güter aus Spielen bezahlen, zeigen. Auf der andere Seite vermengt sich teilweise der legitime Wunsch, die alten Geschäftsmodelle zu verteidigen, mit einem Nichtverstehen des Internets, was in einem aktuellen Blogpost von Marcel Weiß auf netzwertig.com, in dem es um den „Kampf der Geschäftsmodelle“ geht, deutlich wird.
Erschwerend kommt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen die Verbraucher nach Wegen suchen, ihre Ausgaben zu verringern, hinzu, dass man sein Zeitungsabo kündigen kann, ohne am Ende schlechter informiert zu sein. Im Gegenteil lässt sich online das Beste aus verschiedenen Zeitungsredaktionen lesen. Wer das Abo seiner Tageszeitung kündigt, kann die gleichen Artikel immer noch lesen, nur früher. Jedem sollte klar sein, dass dies nicht auf Dauer funktioniert, sondern nur, solange eine ausreichend große Basis an Abonnenten bzw. Käufern am Kiosk mit ihrem Geld die Arbeit der Zeitungsleute finanziert.
Aus verschiedenen Gründen sind die Erlöse aus Onlinewerbung (nicht nur) bei Nachrichtenangeboten derart niedrig, dass die meisten Zeitungen sehr weit davon entfernt sind, sich darüber finanzieren zu können. Die hohen Besucherzahlen, die viele Zeitungen im Web verzeichnen, bringen nicht genügend Werbegeld. Dass dies kein Problem „alter Medien“ ist, deren Uhr möglicherweise gerade abläuft, zeigt ein Blick auf aktuelle Stars der ganz neuen Medien: Wie Social Networks wie Facebook und studiVZ oder Twitter trotz gewaltiger Nutzerzahlen und Seitenabrufe einmal Geld verdienen wollen, ist ein beliebtes Thema für Gedankenspiele.
Auf Werbung, besonders auf solche, die aufgrund von Personalisierung und damit verbundenen geringeren Streuverlusten vernünftige Preise erzielen könnte, reagieren die User im Zweifel skeptisch bis radikal abweisend. Business Networks wie XING und LinkedIn sind nach Mitgliederzahlen dagegen zwar nur Zwerge, doch dank des Ansatzes, nur einen Teil der Funktionen gratis anzubieten und für den Rest zu kassieren, verfügt man dort über nennenswerte Einnahmen.
Es liegt nahe, dass die Verlage aktuell wieder darüber nachdenken, ihre Inhalte zum Teil nur noch kostenpflichtig anzubieten. Rupert Murdoch vom weltweit tätigen Medienkonzern Newscorp würde das erfolgreiche Abomodell seiner Zeitung Wall Street Journal gerne zum Standard machen und erklärt, dass es das Internet in seiner bisherigen Form mit den Gratis-News schon bald nicht mehr geben werde (während Blogger Jeff Jarvis für dieses Jahr eine Wende ganz anderer Art erwartet). Es ist die Rede davon, dass es sich um ein nicht funktionierendes Geschäftsmodell handeln würde, die Inhalte kostenlos anzubieten.
Bei Spiegel Online kritisiert man zu recht den Schlingerkurs des Medienzaren beim Thema Paid Content. Dennoch dürften Murdochs jüngste Äußerungen der wirksamste Beitrag dazu sein, in der Diskussion um ein Geschäftsmodell voranzukommen, während die aus der Zeitungsbranche oft gegen Google News vorgebrachte Kritik das andere Ende der Skala markiert, Content-Klau sieht anders aus! Google bringt den Inhalteproduzenten ja gerade die Besucher, die sich für die Themen interessieren, über die die News Websites gerade berichten. Vielleicht sollte Google in seinem Service endlich bezahlte Links einführen, um in der Branche ein Gefühl für den Wert der Sichtbarkeit im großen News-Aggregator zu vermitteln.
Der eine große Nachteil von nur gegen Bezahlung zugänglichen Inhalten, die Unsichtbarkeit für Suchmaschinen, lässt sich beheben. Google-Anzeigen sind schließlich längst auch in geschützen Bereichen einsetzbar, wenn man dem Crawler etwas unter die Arme greift.
Der entscheidende Nachteil von Bezahlinhalten im Web ist, dass Nutzer sich dann nicht mehr aus so vielen verschiedenen Quellen zu einem Thema informieren können wie bisher. Wie viele Online-Abonnements würde ein durchschnittlicher Nutzer abschließen? Und jedesmal mit anderen Zugangsdaten einloggen, um einen Artikel lesen zu können?!
Hier kommen wir noch einmal darauf zurück, warum gerade Rupert Murdoch einen so entscheidenden Beitrag leistet bzw. noch leisten könnte: Paid Content funktioniert im Alleingang nicht. Zieht eine Zeitung ihre kostenlose Onlineausgabe zurück, freut sich die Konkurrenz. Murdoch kontrolliert über seine gigantische News Corp aber nicht nur sehr viele Zeitungen in aller Welt, er könnte auch genug Gewicht haben, um die anderen großen Player zu einem gemeinsamen Versuch zu bewegen.
Würden die größten Medienkonzerne beim Paid Content an einem Strang ziehen, wären die Ausweichmöglichkeiten der Leser stark beschränkt. Aus dem Blickwinkel der Umsonst-Mentalität würde dies wohl wie kartellartige Verschwörung gegen die Nutzer wirken. Doch an der schlechten Bezahlung von Journalisten, den vielen Stellenstreichungen in Redaktionen und dem Zeitungssterben können die Leser kein Interesse haben.
Projekte wie MySpace ID, Facebook Connect und OpenID haben das Thema Single-Sign-On-Systeme vorangebracht. Die Medienkonzerne könnten entweder ein eigenes System schaffen, über das man Zugriff auf sämtliche angeschlossenen Paid Content Websites erhält oder mit den bestehenden Systemen kooperieren. Eine enge Verzahnung zwischen (bezahlten) Inhalten der Medienkonzerne und Social Networks ist sowieso eine interessante Option.
Müssten Nutzer also nicht mit unzähligen Accounts und Passwörtern jonglieren und bei jeder Paid Content Website ein separates Abo abschließen, sondern gäbe es eine überschaubare Zahl von Diensten, über die die Authentifizierung und Abrechnung abgewickelt wird, würden für die User nicht unzählige Hürden für den Besuch der Websites aufgestellt.
Schmackhaft machen könnte den Nutzern die Bezahlinhalte eine dritte Partei in dieser Allianz für Paid Content: E-Book-Reader wie der Kindle von Amazon kosten ein hübsches Sümmchen und die Käufer müssen davon ausgehen, dass die technische Entwicklung so schnell gehen wird, dass ihr teuer erworbener Reader bald sehr alt aussehen wird. So alt wie ein zwei Jahre altes Handy. Und aus der Richtung kommt auch die Lösung: So wie viele Menschen bereit sind, vergleichsweise hohe Monatsgebühren für Handytarife zu bezahlen, wenn sie ein iPhone oder G1 von T-Mobile quasi geschenkt bekommen, wären sie vermutlich bereit, ein „Inhalte-Abo“, eine Art „Content Flatrate“ zu bezahlen, wenn sie etwas zum Anfassen in Form eines E-Book-Readers dazu bekämen.
Die E-Book-Reader werden ja schon als Möglichkeit gehandelt, weiterhin Zeitungsabos gegen Bezahlung anzubieten, der große neue Kindle DX soll dem Layout von Zeitungen entgegenkommen. Den Zugriff anschließend auf E-Book-Reader zu beschränken, wäre natürlich kontraproduktiv. Wer sich für ein solches oben skizziertes Bundle aus E-Book-Reader und „Content Flatrate“ entscheidet, müsste mit seinem Single-Sign-On-Account auch im Web oder auf seinem Netbook oder Smartphone lesen dürfen. Die Nutzung sollte auf jeden Fall unabhängig von einem bestimmten Endgerät erfolgen können.
Eventuell könnten sogar noch die Mobilfunkproivider bzw. Internetprovider eine Rolle in einem solchen System spielen. Da die Trennung zwischen Medien für Text, Audio, Bewegtbild usw. in der digitalen Welt nicht wie bisher existiert und für die Nutzer Einfachheit wichtig ist, wäre es unsinnig, hier eine Trennung vornehmen zu wollen. Paid Content ist schließlich nicht allein für Zeitungen und News Websites ein Thema. Die Infrastruktur könnte für die Abrechnung der Nutzung aller Arten digitaler Inhalte zur Verfügung stehen. Nebenbei könnte ein solches System endlich eine verträgliche Jugendschutzlösung bieten.
Ist die Zeit für Paid Content jetzt gekommen? Wäre das hier beschriebene Modell in Euren Augen grundsätzlich brauchbar? Andere Ideen?