Zusammen mit seiner Tochterfirma Internet Movie Database (IMDb) hat Amazon eine Web 2.0 Musikdatenbank gestartet: ein Wiki, bei dem jeder Nutzer Ergänzungen und Änderungen vornehmen kann. Wiki klingt nicht revolutionär und ist es mit Blick auf innovative Websites wie last.fm tatsächlich nicht.
Die Innovationsführerschaft gewinnt Amazon mit diesem Schritt nicht, doch mit seinem noch in der öffentlichen Beta befindlichen neuen Projekt SoundUnwound entwickelt Amazon seine Aktivitäten konsequent weiter. Immerhin nutzt der Onlinehändler mit seinen Kundenrezensionen seit Ewigkeiten erfolgreich Crowdsourcing, indem er seine User Content erstellen lässt.
In SoundUnwound bringt Amazon seine diesbezüglichen Erfahrungen aus seinem Onlineshop sowie IMDb (seit 1998 zu Amazon gehörend) ein und kombiniert dies auf einer Web 2.0 Website, die wie eine Kreuzung aus Allmusic und Wikipedia anmutet, wobei Amazon selbstverständlich kommerzielle Interessen verfolgt.
Die Verlinkung zum hauseigenen Onlineshop fällt überraschend dezent aus. Man könnte denken, ein unabhängiger Betreiber würde nur konsequent das Amazon-Partnerprogramm nutzen. SoundUnwound präsentiert sich nicht als neue Variante des bekannten Onlineshops, sondern als umfangreiche Musikdatenbank zum Mitmachen, die mehr Features als Wikipedia bietet, sich aber weder optisch noch von den Funktionen her verzettelt. Im Gegenteil: Für eine Web 2.0 Website wirkt SoundUnwound konservativ, sogar die Ecken sind hier noch eckig.
Web 2.0-untypisch sind die einzelnen Seiten vollgepackt mit Inhalten: Neben Musikerprofilen, Diskografien, Fotos, Coverabbildungen, Albumrezensionen sowie Standards wie Infos über Label, Katalognummer und Datum der Veröffentlichung eines Albums werden Links zu anderen Websites, YouTube-Videos und als sinnvolles, bei Wikipedia nicht vorhandenes Feature, eine Zeitlinie für die Veröffentlichungen aufgeboten. Amazon wäre nicht Amazon, gäbe es keine Empfehlungen, was den an einem Artikel interessierten Nutzer noch interessieren könnte.
Spätestens mit der Möglichkeit, in die Songs hineinhören zu können, wird deutlich, dass die alteingesessene Wikipedia im Musikbereich ernstzunehmende Konkurrenz erhalten hat.
Einen extra Account anlegen muss man für SoundUnwound nur, falls man über kein Amazon-Konto verfügt, also noch nie irgendwas bei Amazon gekauft hat. Unzählige Musikfans können sich also bequem mit ihren vorhandenen Nutzerdaten einloggen und sofort loslegen, was für die Akzeptanz des neuen Wikis bedeutsam sein und den Nachteil gegenüber Wikipedia, wo in den meisten Fällen jeder ohne Anmeldung Änderungen vornehmen darf, zu einem guten Teil ausgleichen dürfte.
Neben den Einnahmen aus durch die Nutzung von SoundUnwound direkt motivierten Einkäufen im Shop profitiert Amazon von einem Zuwachs an Content sowie durch eine über Korrekturen der User erfolgte Qualitätserhöhung des Datenbestandes. Dazu könnte SoundUnwound neue Kunden generieren und bestehende binden.
FAZIT: SoundUnwound ist mehr smartes Mashup denn ein innovatives Web 2.0 Musikprojekt, doch wächst hier tatsächlich zusammen, was zusammen gehört. Schon als Beta Version ist SoundUnwound Wikipedia überlegen. Die Onlineenzyklopädie verfügt zwar über lange Zeit aufgebaute Mengen an Content, doch schickt Amazon sein SoundUnwound nicht wie Google im Fall von Knol fast leer an die Startlinie. Zudem verfügt Amazon über einen Trumpf: eine umfangreiche Kundendatenbank, die zur Mobilisierung von potenziellen Autoren genutzt gezielt werden könnte.