Die Hälfte aller Internetnutzer soll sich einer Umfrage im Auftrag des Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) zufolge für IPTV interessieren.
Fraglich ist dabei jedoch, welche Vorstellung Fragende und Befragte vom Begriff IPTV haben, nicht nur weil eine andere Studie von PricewaterhouseCoopers im Frühling offenbarte, dass nur 12 % der Deutschen etwas mit dem Begriff anfangen können, sondern auch weil es in der Pressemitteilung des BITKOM heißt, dass „es in Deutschland drei IPTV-Anbieter: Die Deutsche Telekom (T-Home Entertain), HanseNet/Alice (Alice homeTV) und Arcor (Arcor Digital TV)“ gebe.
Die genannten Anbieter verbreiten auf ihren kostenpflichtigen Plattformen vor allem herkömmliche Fernsehsender, nur eben auf Basis von Internettechniken. Dabei ist IPTV ein sehr uneinheitlich verwendeter Begriff, was auch daran liegen mag, dass die Übergänge fließend sind, wenn man neben Plattformen wie Grid-TV etwa auch an YouTube und ähnliche Web 2.0-Websites denkt.
So gibt es auf auf YouTube einen offiziellen Channel von CBS, auf dem Clips mit TV-Inhalten zu sehen sind, und etwa bei Sevenload gibt es neben Kurzfilmchen von müden Kätzchen längst professionelle Beiträge wie Filmvorstellungen von Focus Online TV und Computerclub2, wo sich altgediente WDR-Moderatoren ihre Kultsendung bewahren.
In der vom BITKOM initiierten Studie werden als Vorzüge des Internet-Fernsehens Möglichkeiten gepriesen, die Fernsehzuschauer zum Großteil ohne IPTV nutzen können. Jeder zweite Internetnutzer möchte zeitversetzt fernsehen können und fast jeder dritte Sendungen individuell archivieren können. Das lässt sich jedoch längst ohne IPTV mit einem jedem aktuellen Videorekorder, der Time-Shifting beherrscht, tun. Für das individuelle Archiv reicht auch ein alter VHS-Rekorder, das geht sogar noch komplett analog!
Die von fast jedem Zweiten gewünschte überdurchschnittliche Bildqualität ist ebenfalls kein spezielles Merkmal von IPTV, ebenso wenig der von fast 30 % der Befragten gehegte Wunsch, mehr als 70 Kanäle empfangen zu können. Eine derartige Programmvielfalt bieten digitalisierte Kabelnetze und der Direktempfang via Satellit schon lange. Einen elektronischen Programmführer bot schon die d-box 1 beim Start der digitalen Fernsehens Mitte der 90er Jahre.
Immerhin jeder Fünfte möchte Mitmach-Fernsehen, worunter im Rahmen der Befragung die interaktive Teilnahme an Quiz-Sendungen oder das Unterhalten über einen Messenger mit Bekannten verstanden wird, die gerade dieselbe Sendung anschauen. Dies mag man für nützlich oder nutzlos halten, „einzigartig“ ist es nicht, denn Chatten und Fernsehen gleichzeitig ging schon zu Zeiten schmalbandigen Internets und analogem Fernsehen. In Zeiten des Web 2.0 dürfte das Zusammenbringen von Fans bestimmter TV-Formate eine Aufgabe sein, die eher in den Bereich der Social Networks fällt.
Eine Online-Videothek (23,5 %), ein allgemeines Archiv (20,2 %) sowie eine individuelle Sprachauswahl (19,2 %) sind tatsächlich Bereiche, in denen IPTV punkten kann. Hier dürfte IPTV jedoch zusätzlich mit der niedrigen Akzeptanz von Pay-TV in Deutschland zu kämpfen haben, denn kostenlos werden diese Formen von IPTV kaum offeriert werden können. Die Konkurrenz durch Medien aus dem Web 2.0 macht es den Anbietern kostenpflichtiger Inhalte da nicht leichter. Die Frage, die sich auf lange sicht stellt, ist eher, ob es Fernsehen im eigentliche Sinne überhaupt noch geben wird in Zukunft. Die vom Web 2.0 geprägte Generation könnte es schlicht für überflüssig halten.